Starker Baudruck
Der geringe Anteil an innerstädtischem Grün ist teilweise der Heidelberger Geschichte geschuldet: Die Stadt blieb von Zerstörung durch den Weltkrieg verschont, somit entstanden keine Lücken oder freie Räume in der bestehenden Bebauung, die man für Grünflächen hätte nutzen können wie z. B. in Leipzig.
Vor allem jedoch bedingt durch die beengte Lage im Neckartal war und ist Wohnraum in Heidelberg ein äußerst begehrtes und knappes Gut. Daran ändert auch das zusätzliche Wohnungsangebot durch den komplett neuen Stadtteil Bahnstadt nicht viel. Auch die Entwicklung der Konversionsflächen bringt kaum Entlastung auf dem höchst angespannten Heidelberger Immobilienmarkt. Hinzukommt, dass auch das Gewerbe wachsen will und nach weiterer Fläche verlangt.
Daher ist fast jede freie Fläche im Heidelberger Siedlungsraum potenziell von Bebauung bedroht. Zumal sich mit dem Neubau von Wohnungen und Geschäftshäusern satte Gewinne erzielen lassen.
Die dichte Block-Bebauung lässt kaum Lücken für etwas Grün: Das ist Profitmaximierung pur. Soll so künftiges Wohnen in der „Wohlfühlstadt“ Heidelberg aussehen?
Auch der in der Südstadt angelegte sog. „Andere Park“ südlich der Rheinstraße enttäuscht durch seinen geringen Grünanteil.
Nachverdichtung im Bestand
Nachverdichtung z.B. durch Aufstocken bestehender Gebäude kann durchaus eine sinnvolle Maßnahme sein, sofern die Durchlüftung des betreffenden Areals dadurch nicht behindert wird. Angesichts des geringen innerstädtischen Grünanteils in Heidelberg und des Klimawandels sollte Nachverdichtung jedoch niemals zu Lasten einer Grünfläche erfolgen, wie es z. B. vor Jahren im Komponistenviertel in Handschuhsheim der Fall war. Mehr dazu …
Weitere Beispiele für Nachverdichtung zulasten von Grünflächen unter Bürgerinitiativen und Grün – verloren.
Flächenverzehr durch infrastrukturelle Maßnahmen
Darunter fällt z. B. auch der Ausbau der Verkehrswege. Was man leicht vergisst: Selbst die nicht nur unter dem Aspekt des Klimaschutzes sinnvolle Erweiterung des Radwegenetzes bedeutet vielfach Verlust von unbebauter Fläche. Der Löwenanteil der Verkehrsflächen entfällt allerdings auf den motorisierten Individualverkehr. Die heutigen Städte sind autogerechte Städte – es ist die Frage, ob das in dem heute erreichten Umfang weiterhin sinnvoll ist.
Erweiterung der Universität
Die Universität will expandieren und hofft für die Zukunft auf zusätzlichen Baugrund im Neuenheimer Feld in der Größenordnung von 800.000 Quadratmetern. [1] Augenblicklich wird im Neuenheimer Feld auf dem bestehenden Areal sehr viel gebaut, d. h. nachverdichtet.
Beispiele: Es entsteht gerade ein riesiges Audimax und die PH erhält (neben dem alten Gebäude) einen Neubau. Für beide Projekte wurden – von der Öffentlichkeit kaum bemerkt – zahlreiche Bäume gefällt (allein für die neue PH über 20, etliche weitere für das Audimax) und es wird unversiegelter Boden verbraucht. Dagegen errichtet die Fachrichtung Chemie (INF 270) einen (sehr hohen) Neubau platzsparend auf der Fläche des abgerissenen Altbaus.
IHK fordert mehr Gewerbeflächen
Andreas Kempff, der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar, äußerte sich in einem aktuellen Interview mit der RNZ Ende April 2021 zur wirtschaftlichen Situation in Heidelberg. Seine Forderung: Die Stadt müsse bis 2035 Gewerbeflächen in einer Größenordnung von 100 bis 150 Hektar bereithalten, wenn die Wirtschaft weiterhin florieren solle und Heidelberg seine Bedeutung als Oberzentrum bewahren wolle.
Die reflexhafte Forderung nach hektarweise neuen Gewerbeflächen wirkt angesichts des Klimawandels, der längst spürbar ist, wie aus der Zeit gefallen. Sorg- und maßloser weiterer Ressourcenverbrauch ist ein Konzept von gestern.
Stattdessen: Kluge Umnutzung von bereits vorhandenen bebauten Arealen. Beim genauen Hinsehen lässt sich auf dem Stadtgebiet mancher Leerstand entdecken. Zudem hat die Corona-Pandemie verstärkt zu Arbeiten im Homeoffice geführt; nicht wenige wollen diese Arbeitsform auch nach Beendigung des coronabedingten Ausnahmezustands ganz oder teilweise fortführen. So werden vielerorts Büroflächen frei für anderweitige Nutzung. Mehr zur Konzepten einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung finden Sie z. B. hier.
Zum Nachlesen:
[1] Vgl. z.B. Holger Buchwald: „Wissenschaft will 80 Prozent mehr Fläche“, in: RNZ vom 07.05.2018, http://www.tiefburg.de/masterplan_nhf.htm#4.5.2018.