Starker Baudruck

Der geringe Anteil an innerstädtischem Grün ist teilweise der Heidelberger Ge­schichte geschuldet: Die Stadt blieb von Zerstörung durch den Weltkrieg verschont, somit entstanden keine Lücken oder freie Räume in der bestehenden Bebauung, die man für Grün­flächen hätte nutzen können wie z. B. in Leipzig.

Vor allem jedoch bedingt durch die beengte Lage im Neckartal war und ist Wohnraum in Heidelberg ein äußerst begehrtes und knappes Gut. Daran ändert auch das zusätzliche Wohnungs­angebot durch den komplett neuen Stadtteil Bahnstadt nicht viel. Auch die Entwicklung der Konver­sionsflächen bringt kaum Entlastung auf dem höchst ange­spannten Heidelberger Immobi­lienmarkt. Hinzukommt, dass auch das Gewerbe wachsen will und nach weiterer Fläche verlangt.

Daher ist fast jede freie Fläche im Heidelberger Siedlungsraum potenziell von Bebauung bedroht. Zumal sich mit dem Neubau von Wohnungen und Geschäftshäusern satte Gewinne erzielen lassen.

Extreme Betonorgie am Hauptbahnhof.
Massive Bebauung an der Rheinstraße-West/Ecke Römerstraße (April 2021).
Rheinstraße-West/Ecke Roeblingstraße (April 2021).
Römerstraße-Ost (April 2021).

Die dichte Block-Bebauung lässt kaum Lücken für etwas Grün: Das ist Profitmaximierung pur. Soll so künftiges Wohnen in der „Wohlfühlstadt“ Heidelberg aussehen?

Der trostlose Paradeplatz im „Anderen Park“, Südstadt.

Auch der in der Südstadt angelegte sog. „Andere Park“ südlich der Rheinstraße enttäuscht durch seinen geringen Grünanteil.

Der Gadamerplatz in der Bahnstadt ist einer der heißesten Orte in Baden-Württemberg.

Nachverdichtung im Bestand

Nachverdichtung z.B. durch Aufstocken bestehender Gebäude kann durchaus eine sinnvolle Maß­nahme sein, sofern die Durchlüftung des betreffenden Areals dadurch nicht behindert wird. Angesichts des geringen innerstädtischen Grünanteils in Heidelberg und des Klimawandels sollte Nach­verdichtung jedoch niemals zu Lasten einer Grünfläche erfolgen, wie es z. B. vor Jahren im Komponistenviertel in Handschuhsheim der Fall war. Mehr dazu …

Weitere Beispiele für Nachverdichtung zulasten von Grünflächen unter Bürgerinitiativen und Grün – verloren.

NACHVERDICHTUNG Im „Komponisten­viertel“ in Handschuhsheim wurden alte, weitläufige Gärten mit einer reichen Vogelwelt dicht bebaut. Ein typischer Fall für den Widerstreit von Wohnraum­zuwachs vs. Natur­schutz.

Flächenverzehr durch infrastrukturelle Maßnahmen

Darunter fällt z. B. auch der Ausbau der Verkehrswege. Was man leicht vergisst: Selbst die nicht nur unter dem Aspekt des Klimaschutzes sinn­volle Erweiterung des Radwegenetzes bedeutet vielfach Ver­lust von unbebauter Fläche. Der Löwenanteil der Verkehrsflächen entfällt allerdings auf den motorisierten Individualverkehr. Die heutigen Städte sind autogerechte Städte – es ist die Frage, ob das in dem heute erreichten Umfang weiterhin sinnvoll ist.

Erweiterung der Universität

Die Universität will expandieren und hofft für die Zukunft auf zu­sätzlichen Baugrund im Neuenheimer Feld in der Größenord­nung von 800.000 Quadratmetern. [1] Augenblicklich wird im Neuenheimer Feld auf dem bestehenden Areal sehr viel gebaut, d. h. nachverdichtet.

Beispiele: Es entsteht gerade ein riesiges Audimax und die PH erhält (neben dem alten Gebäude) einen Neubau. Für beide Projekte wurden – von der Öffentlichkeit kaum bemerkt – zahlreiche Bäume gefällt (allein für die neue PH über 20, etliche weitere für das Audimax) und es wird unversiegelter Boden verbraucht. Dagegen errichtet die Fachrichtung Chemie (INF 270) einen (sehr hohen) Neubau platzsparend auf der Fläche des abgerissenen Altbaus.

Linker Teil der gigantischen Baugrube für das Audimax, im Hintergrund (eingerüstet) der Neubau des Chemischen Instituts.
HIER WIRD GEKLOTZT, NICHT GEKLECKERT Hauptteil der Baugrube für das Audimax.

IHK fordert mehr Gewerbeflächen

Andreas Kempff, der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar, äußerte sich in einem aktuellen Interview mit der RNZ Ende April 2021 zur wirtschaftlichen Situation in Heidelberg. Seine Forderung: Die Stadt müsse bis 2035 Gewerbeflächen in einer Größenordnung von 100 bis 150 Hektar bereithalten, wenn die Wirtschaft weiterhin florieren solle und Heidelberg seine Bedeutung als Oberzentrum bewahren wolle.

Die reflexhafte Forderung nach hektarweise neuen Gewerbeflächen wirkt angesichts des Klimawandels, der längst spürbar ist, wie aus der Zeit gefallen. Sorg- und maßloser weiterer Ressourcenverbrauch ist ein Konzept von gestern.

Stattdessen: Kluge Umnutzung von bereits vorhandenen bebauten Arealen. Beim genauen Hinsehen lässt sich auf dem Stadtgebiet mancher Leerstand entdecken. Zudem hat die Corona-Pandemie verstärkt zu Arbeiten im Homeoffice geführt; nicht wenige wollen diese Arbeitsform auch nach Beendigung des coronabedingten Ausnahmezustands ganz oder teilweise fortführen. So werden vielerorts Büroflächen frei für anderweitige Nutzung. Mehr zur Konzepten einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung finden Sie z. B. hier.


Zum Nachlesen:

[1] Vgl. z.B. Holger Buchwald: „Wissenschaft will 80 Prozent mehr Fläche“, in: RNZ vom 07.05.2018, http://www.tiefburg.de/masterplan_nhf.htm#4.5.2018.