Ständiger Schwund von Grün
durch Baumaßnahmen
Jedes unbebaute Fleckchen weckt in Heidelberg sofort Begehrlichkeiten…
…oder ist schnell durch Baumaßnahmen gefährdet. Einige Beispiele:
Ein ca. 18.000 m² großes begrüntes Wieblinger Gewerbegrundstück mit wertvollem altem Baumbestand (Streuobstwiese) soll zum größten Teil versiegelt werden. Mehr als die Hälfte des Areals sollten ursprünglich an das Unternehmen „Eurofins“ verkauft werden. Diese Firma sprang allerdings in letzter Minute ab. Der restliche Teil war als Abstellfläche für Reisebusse vorgesehen.
NABU und BUND setzen sich dafür ein, dass die Wiese erhalten bleibt. Dazu hat der Nabu ein Kaufangebot für das Areal und das dort noch stehende Gebäude vorgelegt und ein differenziertes Nutzungskonzept ausgearbeitet. Angedacht ist ua. ein Naturschutzzentrum. Das Kaufangebot und das vorgestellte Konzept wurden jedoch von der Stadt abgelehnt. Diese will nun auf dem Gelände eine Seilbahnstation ins Neuenheimer Feld errichten samt einem großen Park&Ride-Parkhaus. Mehr dazu in meinem Blog vom 12.11.2022.
Seit Februar 2021 wird an der Stelle der einstigen Grünanlage am Montpellierplatz mit schwerem Gerät gearbeitet. Es geht um die Errichtung der neuen unterirdischen Technikzentrale im Zuge der Umbaumaßnahmen an der Stadthalle. Tonnen über Tonnen Beton wurden bisher bis in eine Tiefe von 9 m verbaut, um bei Hochwasser das Aufschwimmen der geplanten neuen Technikzentrale zu verhindern.
Inzwischen ist auch noch die kleine Grünanlage vor dem Eingang der Stadthalle in den Strudel der Bauarbeiten geraten: Sie ist gesperrt und dient als Materiallager. So müssen die Altstädter im Hitzesommer 2022 gleich auf zwei Grünanlagen verzichten.
Zum Schutz des Montpellierplatzes neben der Stadthalle gab es 2010 ein Bürgerbegehren (BIEST), das mit absoluter Mehrheit gewonnen wurde. Der kleine Park am Neckar sollte vor Bebauung bewahrt werden. Nach 10 Jahren spielt dieses große und eindeutige Bürgeranliegen offenbar keine Rolle mehr. Mehr dazu unter Bürgerinitiativen.
Fast schon ein Dauerbrenner: der Streit um die Wiese am Ochsenkopf. Durch eine Bürgerinitiative konnte die für Bergheim so wichtige Grünfläche vor Bebauung mit einem Neubau des Betriebshofes bewahrt werden. Der folgende Gemeinderatsbeschluss vom Oktober 2020, die Wiese offiziell in eine Grünfläche umzuwandeln, wurde fast 2 Jahre lang nicht umgesetzt. Seither entstanden immer wieder neue Ideen, wie man die Wiese nutzen könnte. Seitdem 27.7.2022 ist es amtlich: Die Wiese am Ochsenkopf ist keine Gewerbefläche mehr, sondern ist nun offiziell eine Grünanlage. Mehr dazu unter Bürgerinitiativen.
Im März/Anfang April 2021 war die geplante Verlagerung des Ankunftszentrums auf die Wolfsgärten das große Thema. Hierbei ging es nicht nur um die Frage, ob die „Wolfsgärten“ in ihrer abgeschiedenen Lage für die Aufnahme von Flüchtlingen überhaupt zumutbar seien, sondern auch darum, ob dort der wertvolle Ackerboden versiegelt werden soll. In einem Bürgerentscheid am 11. April 2021 entschied sich die Bürgerschaft mit großer Mehrheit gegen eine Bebauung der Wolfsgärten. Mehr dazu unter Bürgerinitiativen.
Immer wieder kommt es zu größeren baubedingten Baumfällungen:
- im gesamten Park der Klinik St. Elisabeth,
- auf dem Gelände des Altersheims St. Hedwig,
- im Neuenheimer Feld für den Neubau der PH sowie
- für den Bau des neuen Audimax.
- Selbst für das Anlegen des neuen Parks (!) in der Südstadt mussten etliche Bäume weichen.
Beispiele für grüne Oasen, die in jüngerer Zeit verschwunden bzw. akut in ihrer Existenz bedroht sind, finden Sie unter den Rubriken „Grün – verloren bzw. bedroht, zersiedelt“ usw.
Besonders im Neuenheimer Feld kam es zu sehr vielen Baumfällungen in den letzten Monaten.
Baurecht vs. Baumrecht
In Heidelberg gibt es eine städtische Baumschutzsatzung, die Bäume mit einem Stammumfang von mehr als 100 cm (Obstbäume von mehr als 80 cm; jeweils gemessen in 1 m Höhe) ganzjährig schützt. Die Baumschutzsatzung erweist sich jedoch in der Praxis als zahnloser Tiger, denn die Ausnahmen sind zahlreich, insbesondere bei Bauvorhaben. Unterm Strich wird letztlich jeder Baum gefällt, der einem Bauvorhaben im Weg steht; eine Begründung lässt sich immer finden.
Nun hat man, anlässlich einer sehr umstrittenen Baumfällung in der Südstadt Ende Februar 2021 bei der Verwaltung selbst erkannt, dass „immer wieder (…) bei Bauprojekten aus unterschiedlichen Gründen erhaltenswerte Bäume weichen“ müssen (Kurzmeldung in der RNZ vom 22.03.21).
Ein neues „Prozesspapier“ soll künftig den Schutz von Bestandsbäumen verbessern und gewährleisten, dass „im unvermeidbaren Fall einer Fällung“ zuständige Gremien und die Allgemeinheit rechtzeitig darüber informiert werden. Der Fokus dieses neuen Papiers, das auf den Weg gebracht werden soll, liegt, so klingt es zumindest, auf der besseren Kommunikation mit der Öffentlichkeit, nicht darauf, dass es zu weniger Fällungen kommt.
Anstoß zu dem angekündigten neuen „Prozesspapier“ gab die überraschende Fällung einer Linde in einem Baufeld in der Kirschgartenstraße. Der Erhalt des Baumes war zugesichert worden, aufgrund eines „Messfehlers“ in den Plänen (so die nachträgliche Begründung) kam es dann aber doch sehr kurzfristig zur Fällung, was einen Sturm der Entrüstung bei zahlreichen Bürgerinnen und Bürger auslöste. (Vgl. dazu den Artikel von Denis Schnur: „Linde wurde wegen ‚altem Messfehler‘ gefällt“, in: RNZ vom 17.03.2021); https://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-heidelberger-suedstadt-linde-wurde-wegen-altem-messfehler-gefaellt-_arid,643192.html).
Häufig ungenügende Ersatzpflanzungen
Müssen Bäume gefällt werden, sind laut Baumschutzsatzung Ersatzpflanzungen vorzunehmen. Auch diese Vorschrift liest sich besser als ihre Umsetzung.
Ersatzpflanzungen sind ganz häufig kein adäquater Ersatz für die ursprünglichen Bäume am Standort. Schon allein aus dem einfachen Grund, dass Jungbäume auf Jahr(zehnt)e hinaus kein gleichwertiger Ersatz für alte Großbäume sein können. Auch ist fraglich, ob die Jungpflanzen angesichts des Klimawandels jemals Alter und Größe ihrer Vorgänger erreichen.
Oftmals ist auch nach Fertigstellung des Bauvorhabens kein ausreichender Platz mehr für Bäume mit großen Kronen. Die Ersatzpflanzungen bestehen dann z.B. aus schmalwüchsigen Sorten mit schlanken Kronen. Mehr dazu …
Echter Schutz nur für Bäume mit Naturdenkmal-Status
Nur wenn es sich bei einem Baum um ein sog. Naturdenkmal handelt, genießt der Baum umfassenden Schutzstatus. Dafür reicht es nicht automatisch aus , dass ein Baum alt und imposant aussieht oder eine außergewöhnliche Form besitzt. Die Aufnahme eines Baums in die Liste der Naturdenkmäler muss beantragt und genehmigt werden; erst dann gilt der betreffende Baum als Naturdenkmal.
- Tipp: Falls Sie selbst einen besonderen alten Baum in Ihrem Garten stehen haben, versuchen Sie doch, ihn als Naturdenkmal anerkennen zu lassen. So ist sichergestellt, dass er bei einem Besitzerwechsel des Grundstücks erhalten bleibt. Wenden Sie sich dafür an die Untere Naturschutzbehörde; https://www.rhein-neckar-kreis.de/start/landratsamt/naturschutzbehoerde.html#.
Eine Liste der Heidelberger Naturdenkmäler finden Sie hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Naturdenkmale_in_Heidelberg.
Die Baumschutzsatzung der Stadt Heidelberg ist als PDF einsehbar über Wikipedia, Art. „Baumschutzsatzung“; dort finden sich auch Links zu den Baumschutzverordnungen vieler anderer deutscher Städte; https://de.wikipedia.org/wiki/Baumschutzsatzung (Stand vom 12.04.2021).
Unzureichender Schutz von Bäumen auf Baustellen
Von der Stadt Heidelberg gibt es Richtlinien für den Baumschutz auf Baustellen. Doch sehr häufig kommen diese nicht zur Anwendung. Sehr krass missachtet wurden die Vorschriften auf der Baustelle für den Neubau der PH, wie ihr in meinem Blogeintrag vom 30. Juni 2021 sehen könnt.
Hier 2 weitere Beispiele.
- Baustelle in der Straße „Im Neuenheimer Feld“, Nähe Institut für Geowissenschaften/Museum INF 235.
2. Baustelle am DKFZ in der Kirschnerstraße
Schwund von Grün durch den Klimawandel
Der Klimawandel wirkt sich auch auf das Stadtgrün aus, insbesondere auf die Bäume.
Die langen, heißen Trockenperioden der letzten Sommer haben viele Bäume vertrocknen lassen oder so geschwächt, dass sie dadurch Parasiten gegenüber keine Abwehrkraft hatten.
Die Folge: Es kommt noch Monate nach den Trockenperioden zum Dahinsiechen und Absterben von Bäumen.
Ein Beispiel für einen hitzegeschädigten Baum ist der Kirschbaum auf dem Foto rechts. Er ist größtenteils abgestorben, die Rinde ist gerissen und nur ein paar wenige Ästchen treiben noch aus.
Mehr zum Klimawandel und seinen Auswirkungen auf die Stadtbäume finden Sie hier.