Stadtbäume
grüne „Dienstleister“ am Limit

Bäume prägen das grüne Erscheinungsbild einer Stadt in er­heblichem Maß. Ob als einfacher Straßenbaum, als Allee- oder Parkbaum, ob als Schattenspender auf Spielplätzen oder im Biergarten – Bäume sind aus unseren Städten nicht wegzu­denken[1].

Schon ein paar prächtig blühende Kastanien oder einige mächtige Platanen genügen, um jede noch so unbedeu­tende Straße aufzuwerten oder einen tristen Platz zu verschö­nern. Doch Optik ist nicht alles.

Bäume sind echte Multi­talente: [2]

  • Sie reduzieren den CO2-Gehalt[3] der Atmosphäre,
  • sie spenden Sauerstoff und  „schlucken“ Feinstaub, verbessern somit die Stadtluft und
  • wirken kühlend bei Hitze durch Schattenwurf und Verdunstung.
  • Sie sind Lebensraum für Insekten, Vögel und Säugetiere, für Misteln, Pilze und Flechten.

Vorweg ein paar Zahlen und Fakten:

In Heidelberg gibt es derzeit rund 50.000 [4] dieser grünen „Dienstleister“ im innerstädtischen Bereich, Stadtwald und Privatgärten nicht mitgezählt.

2005 lag der Bestand noch bei 35.000 [5] Exemplaren – das macht ein Plus von rund 43 % in 15 Jah­ren.

Die zehn häufigsten Gattungen in Heidelberg:
  • Ahorn
  • Kirsche
  • Hainbuche
  • Linde
  • Platane
  • Fichte
  • Buche
  • Eiche
  • Birke
  • Apfel[6]

Der Großteil der Stadtbäume gehört damit zu den einheimischen Arten. Aber es gibt darunter auch Exoten wie Ginkgo, Tulpenbaum, Hemlocktanne, die gut mit dem milden Heidelberger Klima zurechtkommen. Insgesamt sind im Heidelberger Baumkataster 85 unterschiedliche Gat­tun­gen und 275 Sorten verzeichnet – eine ungewöhnliche Vielfalt.[7]

Leben am Limit durch zahlreiche Stressfaktoren

Stadtbäume sind hochgeschätzt – als gefälliges grünes Dekor, als Luft­ver­bes­serer, Klima­helfer. Doch die meisten von ihnen führen ein Leben am Limit. Denn die Stadt ist ein durch und durch unnatürlicher Lebensraum.

Es fehlt den Stadtbäumen häufig an genügend Erde, an guter Erde, oft auch an Platz für natürliches, artgemäßes Wachstum.

Unter den Stadtbäumen sind die Straßenbäume die „Underdogs“. Sie kämpfen mit:

  • zu wenig Boden
  • minderwertigem Boden
  • Wassermangel
  • Alleinstand, d.h., sie profi­tieren nicht vom kühlenden Schattenwurf
    wie ihre Artge­nossen im Wald.
Weitere negative Einflüsse:
  • Schadstoffe aus der Luft,
  • Verletzungen durch Bauarbeiten,
  • ätzender Hunde-Urin,
  • Streusalz im Winter,
  • Hitze- und Trockenstress durch den Klimawandel.
EIN STRESSFAKTOR UNTER VIELEN Hunde-Urin ist ätzend für die Wurzeln; wenn alle Hunde aus dem Viertel Tag für Tag dieselben Straßenbäume aufsuchen, kommt einiges zusammen.

Stress durch Hitze und Dürre – Stadt als „Wärmeinsel“

Hitze- und Trockenstress durch den Klimawandel potenzieren sich in der Stadt. Denn im urbanen Umfeld entsteht zusätzlicher Wärmestress durch die im Vergleich zum Wald immer höheren Tempera­turen im städti­schen Umfeld.

Man spricht hier vom Wärmeinseleffekt der Stadt: Aufgeheizte Gebäude strahlen selbst nachts noch Wärme ab, aufgeheizter Asphalt setzt vor allem den Straßenbäumen zu.

Häufung von Hitzesommern

Viele Stadtbäume reagieren auf anhaltende Dürre und hohe Temperaturen mit verfrühtem Blattwurf; damit geht auch die kühlende Wirkung des Blatt­werks verloren.[8] Etliche Exemplare gehen bei Hitze- und Trockenstress gleich ganz ein. In der Regel aber fallen sie, in ihrer Vitalität geschwächt, vielfältigen Schädlingen zum Opfer.

„Der innerstädtische Baumbestand ist massiv gefährdet.“

Das sagt einer, der es wissen muss, nämlich Dr. Ernst Baader, Leiter des Landschafts- und Forstamts. Überdurchschnittlich viele Bäume gingen in den letzten Jahren auf innerstädtischem Gebiet zugrunde. In den drei Jahren von 2018 bis 2020 starben 925 Bäume infolge der letzten heißen Sommer (im Vergleich: in den fünf Jahren von 2013 bis 2017 waren es 604). Baader weist noch auf einen weiteren Grund zur Besorgnis hin: Gingen früher verstärkt Altbäume zugrunde, sind nun auch mehr und mehr Bäume im jugendlichen Mittelalter betroffen.[9]

Doppelschichten beim Gießeinsatz

Die Stadtgärtner versuchten gegenzusteuern mit permanentem Gieß­einsatz im Zweischicht­betrieb, vor allem bei Jungbäumen und Bäumen am Straßenrand.

Was die Stadtgärtner in den drei zurückliegenden  heißen und trockenen Sommern an Zusatz­aufwand leisten mussten, lässt sich vielleicht anhand einiger Zahlen erahnen:

In den Sommer­monaten benötigt ein junger Baum 200 l Wasser pro Gieß­einsatz; davon sind drei pro Woche erforderlich. Bei rd. 110 Jungbäumen in städtischer Pflege kommen da allein 66.000 l Wasser pro Woche zusam­men.

220.000 Liter Wasser pro Tag

Und dann gibt es ja noch Blumen- und Stauden­beete sowie Rasenflächen. Letztere allerdings können während der Dürreperioden mit Ausnahme der Neckarwiese und dem Zollhofgarten aus Personalmangel und begrenzter Zahl an Tankwägen nicht mehr bedient werden. Mit 220.000 l ausgebrachtem Gießwasser und 17 Stunden Einsatz pro Tag in den Hochphasen ist für die Mitarbeiter das Limit erreicht.


Stress und Verletzungen durch Bauarbeiten

Sehr häufig nehmen Stadtbäume durch Baumaßnahmen auf vielfältige Art und Weise Schaden. Beispielsweise werden bei Erdarbeiten oft die Wurzeln verletzt – damit ist ein Einfallstor für Pilze gegeben.

Der Graben führt einmal quer durch den Wurzelbereich; Gekappte Wurzeln liegen frei und vertrocknen.

Schädlich ist es auch, wenn der Wurzelbereich eines Baums mit dem Erdaushub überschüttet wird wie auf dem Foto rechts.

Dauert die Überschüttung längere Zeit an, nimmt der Baum Schaden, weil die Wurzeln nicht atmen können.

Ebenfalls gut erkennbar ist auf dem Foto rechts, wie wenig Raum für Baumwurzeln oft unterirdisch bleibt.

Manchmal wird bei Grabungsarbeiten so viel von der Wurzelmasse eines Baumes gekappt (etwa um Platz für unterirdische Rohre und Leitungen zu schaffen), dass anschließend die Statik des ganzen Baumes nicht mehr stimmt.

Zum Ausgleich muss dann in Anschluss an die Baumaßnahme die Krone des Baumes vom Fachmann eingekürzt werden, damit der Baum auch bei großer Windlast wieder sicher steht.

DRANGVOLLE ENGE Viele Rohre konkurrieren mit den Baumwurzeln um den Platz im Boden; zusätzlich wird die Atmung der Wurzeln durch stammnahe Überschüttung massiv behindert bis unmöglich.

Nicht selten wird die Rinde durch Baumaschinen beschädigt. Oder es müssen, weil Baumaschinen den Platz brauchen, Äste abgesägt werden. Geschieht dies nicht fachgemäß, können durch diese offenen Wundflächen Schadorganismen eindringen.

KRAN VS. APFELBAUM Ein großer Teil der Krone wurde abgesägt, um für den Kran Platz zu schaffen; die Äste vertrocknen am Boden; INF 330.
Bloße „Richtlinien“ zum Baumschutz auf Baustellen genügen nicht

Auf der Website der Stadt Heidelberg ist ein Merkblatt mit „Richtlinien zum Baumschutz auf Baustellen“ zu finden. Darin wird u. a. das Aufstellen von Schutzgittern im Kronenbereich vor Beginn der Baumaßnahmen gefordert sowie das Vermeiden von Wurzelverletzungen und Überschüttungen des Wurzelbereichs. Auch sollen notwendige Eingriffe am Baum nur von Fachleuten durchgeführt werden. Das sind alles sehr sinnvolle Regeln, die aber oft zu wenig Beachtung finden. Es handelt sich auch lediglich um „Richtlinien“, nicht um gesetzliche Regelungen, die bei Verstoß sanktioniert werden. Beispiele für teils grobe Verstöße gegen den Baumschutz auf Baustellen findet ihr in meinem Blogeintrag vom 30. Juni 2021 und hier.


Neue Schädlinge und Pilze

Die Veränderung des Klimas begünstigt die Ausbreitung neu­artiger Schädlinge und Pilze. Diese treffen in Heidelberg auf einen überdurchschnittlich alten Baumbestand[10], da die Stadt und somit auch die Grünanlagen von Kriegszerstörungen weit­gehend verschont blieben.[11] Eine große Zahl dieser Baumvete­ranen kommt nun in die Jahre, in denen ihre Vitalität von Natur aus nachlässt. Kommen Hitze- und Dürrestress durch den Klimawandel noch dazu, haben Schädlinge – übrigens inzwischen auch bei jüngeren Bäumen – leichtes Spiel. Dazu einige Beispiele:[12]

  • Der Massaria-Pilz. Vor einigen Jahren war dieser Pilz in Deutschland noch kein Thema, heute dafür umso mehr. Er befällt vor allem älte­re Platanen, die durch hohe Tempe­ra­turen in Verbin­dung mit Wasser­man­gel bereits ge­schwächt sind. Die Pilz­erkran­kung führt zum vermehrten und raschen Absterben von Ästen, die dann – scheinbar plötzlich – abfallen. Da dieses Phänomen auch dicke Äste betrifft, müssen betroffene Bäume eng­maschig von spe­zi­ell geschul­ten Baum­pflegern kontrolliert wer­den, um die Verkehrs­sicher­heit zu gewährleisten.
    Er­kran­kte Bäume stehen z. B. am Tier­gartenschwimmbad und in der Kur­fürsten­­anlage. Der Massaria-Pilz war übrigens auch dafür verantwortlich, dass 2013 sämtliche Platanen der Augusta­-An­lage in Mannheim gefällt werden mussten. Ein enormer Schaden: Die Neubepflanzung der Anlage koste­te 5 Mio. Euro.
  • Die Miniermotte, die sich seit einigen Jahrzehnten in ganz Europa ausbreitet, befällt bevorzugt die weißblütigen Rosskastanien. Die Larven des Falters setzen den Blättern so zu, dass sie vor­zei­tig absterben und schon im Sommer braun sind. Heidel­berg ist von diesem Schädling beson­ders betroffen.
FRASSSPUREN AN KASTANIENBLÄTTERN Wenig später sind die Blätter vorzeitig braun.
  • Sehr gefährlich ist der Eschenbaum­schwamm, ein holz­zer­setzender Pilz. Von außen ist seine schä­di­gende Wirkung oft selbst dann kaum zu er­kennen, wenn be­reits die Stand­­festig­keit des Baums erheb­lich beein­träch­tigt ist. Anders als sein Name vermu­ten lässt, be­fällt der Pilz auch andere Arten als die Esche, z. B. die Robi­nie. In Heidelberg ist vor allem diese Baum­art von dem Pilz betroffen. Auch hier sind die Baum­exper­ten des Land­schafts- und Forstamts verstärkt gefordert, um eine Ge­fährdung von Men­schen zu verhindern.
  • Noch übler ist der Rußrindenpilz, der vor wenigen Jah­ren aus Nordamerika einge­schleppt wurde und sich bei güns­tigen Bedingungen rasant ausbreitet. Er hat es spe­ziell auf den Bergahorn abgesehen. Bei betroffenen Bäumen platzt die Rinde auf, darunter werden am Stamm dicke Schichten von schwarzen Pilzsporen er­kenn­bar. Das Holz sieht aus, als wäre es mit Ruß be­deckt. Bevorzugt nach längeren Dürreperioden wird der Pilz aktiv, wenn die Bäume geschwächt sind.

    Die Sporen können auch die Ge­sundheit von Menschen erheblich gefährden. Einge­atmet können die winzigen Partikel Allergien auslösen bis hin zu heftigen Entzün­dungen der Lungenbläschen. Beim Fällen dieser Bäume müssen die Arbeitskräfte daher Schutz­­an­züge und Atem­masken der Schutzklasse 3 tra­gen. Das verseuch­te Holz muss sachgemäß in Müllver­bren­­nungs­anlagen verbrannt werden, keinesfalls in Bio­gas­anlagen.
VERKEHRSSICHERHEIT DER BÄUME ALS OBERSTES GEBOT  Baumpflegearbeiten sind zeitintensiv und erfordern immer ein Team von 3–4 Personen; mit der Zunahme kranker Bäume steigen Pflegeeinsatz und Kosten.
Verkehrssicherheit muss jederzeit gewährleistet sein

Bestimmte Baumpilze verursachen Zersetzungs- und Fäulnisprozesse, die die Standfestigkeit des Baums gefährden (Mehr dazu unter Klimawandel). Oft ist dies von außen für den Laien nicht erkennbar, sondern nur für den Fachmann. Eine große Verantwortung für die Fachleute des Landschaftsamts, denn ihre wichtigste Aufgabe ist es, die Verkehrssicherheit der Stadtbäume zu gewährleisten.

Optische Kontrolle jedes Stadtbaums alle neun Monate

Ein Expertenteam von sechs eigens dafür zuständigen, speziell ausgebildeten Fachkräften kontrolliert jeden der 50.000 Bäume auf dem Heidelberger Stadtgebiet einmal innerhalb von neun Monaten. Für die notwendigen Pflegemaßnahmen stehen im städtischen Regiebetrieb Gartenbau weitere acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung.

Kommt es zu Unwettern in der Region, müssen viele Bäume noch einmal umgehend einer optischen Kontrolle unterzogen werden. Dann werden zusätzlich noch einschlägige Fachbetriebe mit eingesetzt, damit schnellstmöglich eventuelle von betroffenen Stadtbäumen ausgehende Gefahren beseitigt werden.

VERFÄRBUNGEN DEUTEN AUF PILZBEFALL HIN Gefällter alter Baum am Standort Römerbad.

Zu wenig Platz, zu wenig Boden

Weitere Probleme, mit denen insbesondere Straßenbäume zu kämp­fen haben, be­tref­fen den Stand­ort. Der Wur­zelraum der Bäume wird zunehmend von unten einge­schränkt durch Versor­gungs­leitun­gen (Wasser, Abwasser, dicke Fern­wärmerohre, Gashoch­druckleitungen und Tele­kom­mu­ni­­kation). Weniger Wurzeln bedeutet geringe­res Wachstum und oft auch geringere Vitalität. 

Manchmal müssen die Baum­­experten tief in die Trickkiste greifen, um über­­­haupt noch einen Baum pflanzen zu kön­nen. Ist zum Beispiel kein Raum für eine abgegrenzte Baum­­scheibe, weil der Platz für Fußgän­ger oder als Radweg benötigt wird, sind beson­dere Maß­nah­men erforder­lich.

Allem voran ist es enorm wich­tig, den emp­find­­lichen stamm­nahen Wurzel­­bereich vor Druck zu schützen. Dies geschieht mit speziellen Schutz­platten oder aufwen­digen Konstruk­tionen, sog. „Wur­zel­­brücken“. Das sind z.B. auf unterirdi­schen Stütz­pfeilern gelagerte Gitter oder Platten, die den Druck auffangen bzw. verteilen.

Ziel dieser Maßnah­men ist es, dass der Raum rund um den Stamm begeh- und befahrbar ist, ohne dass der Wurzelraum Druck bekommt bzw. das Erdreich verdichtet wird und der Baum dadurch Schaden nimmt.

Die Versorgung mit Luft, Wasser und ggf. Nährstoffen erfolgt in solchen Fällen oft über sog. „Dochte“, das sind Rohre, die von der Oberfläche bis tief hinunter zu den Wurzeln führen. Ist der Wurzelbereich komplett mit Asphalt oder Gehwegplatten versiegelt, stellen kostspielige unter­irdische Bewässerungs­anlagen die einzige Möglichkeit der Wasserzufuhr dar.

KEIN PLATZ FÜR EINEN SCHUTZ DER BAUMSCHEIBE Rad- und Fußgängerweg reichen direkt an den Stamm heran; N‘heim, Berliner Straße Höhe Mathematikon.
GROSSE KONKURRENZ UM DEN PLATZ IM STÄDTISCHEN UMFELD Ein Schutzgitter hält Autos, Räder und Fußgänger wenigstens vom empfindlichsten Wurzelbereich fern.

BaumscheibeWas ist das?
Mit diesem Begriff aus dem Gartenbau wird der Wurzel­bereich eines Baums rund um den Stamm bezeichnet. Hier liegen die Wurzeln des Baums nahe der Erdoberfläche.

In den Städten muss dieser Raum besonders geschützt werden, damit es nicht zu Wurzelverlet­zungen bzw. Bodenverdich­tung durch Fußgänger, Fahrräder und parkende Autos kommt.

Oft werden Metall­bügel oder besondere, begeh­bare Abdeck­platten zum Schutz des sensiblen, druckempfindlichen  Wurzel­raums ange­bracht.  

Ohne Schutz für Stamm und Wurzelraum wie auf dem Foto links (Bergheim, Beginn der Römerstraße) sind Schäden und Verletzungen vorprogram-miert.

Auch die Baumscheibe wird hier ständig betreten oder zum Abstellen von Fahrrädern, Mülltonnen etc. genutzt.

Bäume an Geh- und Radwegen

Geh- und Radwege, die über den Wurzelbereich von Stadt­bäumen füh­ren, sind nicht nur wegen dem ständigen Druck auf den Wurzelraum proble­ma­­tisch. Denn ein Geh- oder Rad­weg sollte, um verkehrs­sicher zu sein, möglichst glatt und eben sein. Im städtischen Bereich ist das aber nur schwer auf Dauer zu erreichen.

Da das Wurzel­geflecht der Bäume hier fast durch­weg zu wenig Raum nach unten in den Boden hat (durch Versorgungsleitungen), weichen die Wurzeln mit der Zeit zwangsläufig nach oben aus: Es entstehen unerwünschte und gefähr­liche „Aufwer­fun­gen“, also Uneben­heiten – der Weg wird dort zur Buckelpiste.

ZU WENIG PLATZ IM BODEN Die Wurzeln weichen nach oben aus und bilden ein Hindernis auf dem Radweg; Berliner Straße.
Schlechte Bodenqualität

Gewöhnlich ist der Boden in der Stadt stark verdich­tet und dazu minderwertig, z.B. durch Bauschutt, Schlacke und Einträge von Schadstoffen wie Streusalz, Reifenabrieb, Resten von Markierungsfarbe u.a. Daher kann in aller Regel der Stadtboden nicht als Grundlage für Pflanzungen verwen­det werden.

Hier kommen sog. Industriesub­stra­te zum Einsatz. Aus Sicht der Bäume sind die Industriesubstrate jedoch bestenfalls zweite Wahl. Denn die Bäume wachsen damit nicht so optimal wie in normaler hochwertiger Erde und obendrein ist für die Dauer ihres Baumlebens ein vermehrter Pflegeaufwand erforderlich.
Aber man sollte sich klarmachen: Ohne diese Behelfslösung mit industriell erzeugten Substraten wäre an ganz vielen Standorten in der Stadt überhaupt keine Baumpflanzung mehr möglich.

Platzmangel durch unterirdische Versiegelung durch Tiefgaragen

Nicht nur oberirdisch beanspruchen Bauwerke, Parkplätze, Verkehrswege usw. den Raum in der Stadt zum größten Teil für sich. Auch unter der Erde wird durch mannigfaltige Versorgungsleitungen und großzügige Tiefgaragen inzwischen der Raum vielerorts knapp.

Wenn für die Wurzeln keinerlei Platz nach unten zur Verfügung steht, wie etwa über einer Tiefgarage, werden Bäume mit­unter als letzter Ausweg in Hochbeete oder sogar in Kübel ge­pflanzt.

Dies ist z. B. der Fall bei der Be­pflan­zung der neu geschaffenen Verlän­gerung der Kleinschmitt­­­straße in der Weststadt (Bild rechts).

Natür­lich ist ein Baum in einem Hochbeet immer eine gärtnerische Notlö­sung, und es liegt auf der Hand, dass ein solcher Baum in so begrenztem Erdreich niemals zu impo­santer Größe heran­wachsen kann.

Ähnlich die Situation am Friedrich-Ebert-Platz in der Altstadt: Auch hier sind große Bäume nicht mehr möglich: Durch die Tief­garage kön­nen die Wurzeln maximal bis 1,5 m tief wachsen – zu wenig für natürliches Größen­wachs­tum.

Auch am Gadamerplatz in der Bahnstadt ist alles unterirdisch durch Tiefgaragen versiegelt. Hier setzt man gleich auf multiple Hochbeete, um ein paar Bäume pflanzen zu können.

EINE TYPISCHE SITUATION: BAUM IN HOCHBEET ÜBER TIEFGARAGE
So wie hier in der Weststadt, Kleinschmittstraße, mangelt es an vielen Stellen in der Stadt an Platz für die Wurzeln; solche Bäume bleiben zwangsläufig klein bzw. meist kommen von vornherein zierliche Sorten zum Einsatz.
Bequeme Parkmöglichkeiten in Form von Tiefgaragen gibt es nicht umsonst: Hier am Gadamerplatz in der Bahnstadt bleibt nur das Hochbeet als Möglichkeit, Bäume zu pflanzen. Aufgrund des beschränkten Erdreichs (sprich: Substrats) bleibt ihr Wachstum beschränkt.

Noch eine Spur krasser ist die Baumhaltung in Kübeln. Beispiel: Die Bäume in der Bahnstadt am Zollhofgarten haben wegen der vielen Tief­garagen keinerlei Möglichkeit, ans Grundwasser zu gelangen. Daher wurden sie in großen Kübeln in den Boden gesetzt.[13] Für die ausreichende Wasserzufuhr sorgen Tank­wägen – eine Daueraufgabe und anhaltender Kostenfaktor für die Stadt­gärtnerei.

Während am Zollhofgarten die Pflanzkübel der Bäume im Boden bzw. unter dem Rasen versteckt sind, sind die Kübel in der Wohnanlage „Gutenberg Höfe“ in Bergheim offen zu sehen. Hier griff man gleich reihenweise zur „Baum-in-Eimer“-Methode – ebenfalls aufgrund der unterirdischen Versiegelung durch Tiefgaragen.

KEIN PLATZ MEHR FÜR GROSSE BÄUME Gutenberg Höfe, Bergheim, Alte Eppelheimer Straße.
Gutenberghöfe, Bergheim.

Auch in der Bahnstadt gibt es Beispiele für Straßenbäume in offen sichtbaren Kübeln; in diesem Fall wurden Immergrüne Magnolien gepflanzt. Angesichts der paar Kübelbäume fragt man sich fassungslos: Wie kann es sein, dass in einem vollkommen neu geplanten Stadtteil kein Platz für normale Straßenbäume vorhanden ist? Das zeugt von totaler Geringschätzung des Werts von Stadtbäumen.

Der Platz im Boden für die Wurzelballen fehlt, weil sich unterirdisch ausgedehnte Tiefgaragen erstrecken.

STRASSENBÄUME ALS KÜBELPFLANZEN Notbehelf wegen kompletter unterirdischer Versiegelung; Newtonstraße, Bahnstadt. Zwischen den Kübeln ist ein weiter Abstand eingehalten, damit auch außerhalb der Tiefgarage bequem geparkt werden kann.
Platzsparende Kronenschnitte und -formen

Manchmal erfordern enger Verkehrsraum und nahe Häuser­fronten einen besonderen Schnitt der betreffenden Bäume.

Extremes Beispiel sind die „Schnurlinden“ in der Rohrbacher Straße. Als Jungbäume wurden ihre Äste wie beim Ziehen von Spalierobst auf Geflechte gebunden und so parallel zum Stra­ßen­verlauf ausgerichtet.

Im Frühjahr werden die Kronen entsprechend scheibenförmig zugeschnitten – das ist Maxima­le an Baum, was an diesem Standort möglich ist. Eine breite, natürliche Kronen­form würde vorbei­fahrende Lkw und Busse behindern bzw. die Fenster der An­woh­ner zu sehr verdunkeln.

Die Linden müssen regelmäßig getrimmt werden, damit sie nicht über das knappe, ihnen zum Leben zugestandene Maß hinauswachsen – ein enormer Aufwand mit Extrakosten und eine ständige „Baustelle“ für die Stadtgärtner.

FLACHER, SCHEIBENFÖRMIGER ZUSCHNITT DER KRONE Platzsparen ist oberstes Gebot bei den Linden in der Rohrbacher Straße, Weststadt.
IST DAS NOCH BAUM ODER NUR GRÜNE DEKO?
Berliner Straße, Höhe Technologiepark.

Das junge Bäumchen hat einen denkbar lebensfeindlichen Standort:

  • Wenig Wurzelraum, wenig Erde. Die Wurzeln werden von Wurzelsperren vom Wachstum Richtung Gehweg und Fassade abgehalten.
  • Der Haupt­trieb des Bäumchens ist gekappt, da es nicht in die Höhe wachsen soll.
  • Die Äste sind aufs Spalier geflochten, um den Abstand zur nahen Fassade zu wahren.
  • Kein Schatten: Die empfindliche Rinde ist aus Schutz gegen Sonnenbrand ummantelt.
  • Sehr viel Strahlungswärme von der Fassade und vom gepflasterten und asphaltierten Umfeld.

Fazit: Nur mit geballter gärtnerischer Kompetenz ist bei solch beengtem Raum noch „Baum“wachstum möglich.

In vielen Innenstädten ist der Raummangel inzwischen so ekla­tant, dass von vornherein nur spezielle Sorten infrage kom­men, die sich mit wenig Platz begnügen[14] oder sehr schnitt­verträglich sind, sodass man sie bei Bedarf entspre­chend stark zurechtstutzen kann.

Günstig ist z. B. die spanische Platane (Platanus hispanica „tremonia“), die in der Jugend nur eine schmale Krone ausbildet – ideal bei engem Ver­kehrsraum, weil sie so Bussen und Lkw nicht in die Quere kommt. Auch heimische Säuleneichen, die ihre schlanke Wuchsform bereits im Namen tragen, kommen bei beengten Platzverhältnissen bevorzugt zum Einsatz.

MODERNE STRASSENBÄUME Ein Metallring schützt den Stamm vor Verletzungen durch parkende Autos und Räder,
der empfindliche Wurzelraum muss bis fast bis zum Stamm als Parkraum herhalten; Weststadt, Bahnhof­straße.

Die abgebildeten Platanen mit ihrer pyramidenförmigen Krone sind gewissermaßen der Prototyp des modernen Straßenbaums. An dieser Stelle sind kaum andere Bäume einsetzbar. Die schlanken Platanen sind die genaue Antwort auf den eklatanten Raummangel in der Stadt. Ihre Eigenschaften:

  • (Unnatürlicher) astfreier Hochstamm, damit auch Busse und LKW drunter herfahren können.
  • Schmale Krone: so bleibt Abstand zur Fassade.
  • Der schlanken Krone entspricht eine relativ geringe Wurzelmasse optimal, denn im Boden ist auch kaum Platz.
SÄULEN- ODER PYRAMIDENEICHEN Ihre Wuchsform lässt Platz zur Fassade; im Vordergrund erkennbar die Wurzelsperre, die das Wachstum der Wur­zeln in Richtung Fassade und Gehweg verhindert; der Mangel an Erd­reich erfordert dauerhaft künstliche Bewässerung per Tröpfelschlauch; Neuenheim, Humboldtstr./Ecke Jahnstraße.

Gesucht: Neue klimataugliche Stadtbaum-Arten

Der Klimawandel wirkt sich auch auf die Zusam­men­­setzung des Stadtgrüns aus. Denn einige der heute ver­breiteten Stadtbäume sind den veränderten Verhält­nissen auf Dauer nicht gewachsen. Doch welche neuen Arten sind geeignet, an ihre Stelle zu treten?[15]

Zur Klärung genau dieser Frage läuft seit 2009/10 ein Langzeit-Forschungsprojekt der bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim, das sich zum Ziel gesetzt hat, die am besten für die Zukunft geeigneten Stadtbäume zu ermitteln[16]. An drei Standorten mit sehr unterschiedlichen klimatischen Bedingungen wurden insgesamt 30 Versuchs­baumarten gepflanzt. Ausgewählt als repräsentative Standorte wurden

  • Würzburg (mildes Weinbauklima mit längeren Trockenperioden),
  • Kempten (ge­mäßigtes Voralpenklima mit reichlich Niederschlag) und
  • Münchberg bei Hof (kontinentales Klima mit viel Frost).

Untersucht wird bei den Testbäumen neben ihrer Tauglichkeit unter den verschiedenen klimatischen Bedingungen auch die Resistenz gegenüber Krankheiten und ebenso, ob die hei­mi­sche Insektenwelt mit diesen neuen Baumarten zurecht­kommt.

Erste Ergebnisse der bis 2021 angelegten Studie, so ist aus Presseberichten zu erfahren, zeigen, dass im Schnitt ge­biets­frem­de Baumarten bei den heimischen Insekten ebenso gut ankommen wie hiesige Baumarten. Allerdings stellte sich heraus, dass manche Insektenarten nur auf heimischen, an­dere wiederum nur auf gebietsfremden Bäumen zu finden waren, und einige Spezies verteilten sich gleichmäßig.[17]

In Heidelberg will man sich aber nicht allein auf die Studie der bayerischen Landesanstalt verlassen. Die Stadtgärtner haben an 16 Stellen auf dem Stadtgebiet eigene Ver­suchs­flächen angelegt, um möglichst passgenau die hier vor Ort zukunfts­fähigen Baumarten zu ermitteln.

Erfah­run­gen mit gebiets­fremden Baumarten – auch außerhalb der Versuchs­flächen – hat die Heidel­berger Stadtgärtnerei zudem schon längst im Praxistest gesammelt:

Der Tulpen– und der Amber­baum gedeihen bei uns sehr gut, Gleiches gilt für den Ginkgo und die Gleditschie, die man ebenfalls schon sehr häufig in unseren Straßen an­trifft.

Der Amerikanische Amberbaum ist auf unseren Straßen und Plätzen immer häufiger anzutreffen. Zwei Exemplare z. B. wurden im März 2021 auf dem Neuenheimer Marktplatz gepflanzt, und um die Ecke, beim Bürgeramt, steht ein weiteres Exemplar.
GINKGOS GAB ES SCHON IM ERDMITTELALTER Heute macht der Baum eine (zweifelhafte) Karriere als Straßenbaum aufgrund seiner sprichwörtlichen Unverwüstlichkeit.

Auch in die südosteuro­päische Silber­linde (Tilia tomen­tosa „Brabant“), ein beliebter und schon altbewährter Stra­ßen- und Parkbaum, setzt man berechtigte Hoff­nung als klimawandeltauglicher und damit zukunftsfähiger Stadtbaum. Sie ist nachweis­lich recht hitze- und trockenheits­resistent.

Bei starker Sonnenein­strah­lung hat sie einen beson­deren Trick auf Lager: Sie wendet ihre Blätter so, dass die helle Unter­seite nach oben zeigt und auf diese Art die Strah­lung maximal reflektiert. Kürzlich wurde in Heidelberg eine neue Allee mit diesen cleveren Bäumen an­gelegt: Die sog. „Grüne Meile“ in der Bahnstadt wurde im Frühjahr 2021 mit jungen Silber­lin­den bestückt.[18]

ZUKUNFT MIT EINGEBAUT Die silbrig-hellen Blattunterseiten reflektieren das Sonnenlicht; Neuenheim, Blumenthalstraße.

Im Augenblick überwiegen im Heidelberger Stadtgebiet noch die einheimischen Arten bei Weitem, der Anteil an gebiets­­­­fremden Bäumen, besonders aus dem mediterranen Raum, ist jedoch in den letzten Jahren gewachsen. Eine solche Mischung ist sicherlich eine gute Strategie für die Zukunft, auch im Hin­blick auf die sich ausbreitenden Schädlinge.


Fazit

Stadtbäume­ führen ein Leben am Limit.  Im innerstädtischen Raum finden sie ganz andere, oft viel extreme Lebens­bedin­gungen vor als ihre Verwandten im Wald oder auf dem Land. Das urbane Umfeld ist ein künstlicher Lebensraum; in ihm sind die grünen Klimahelfer einer Fülle von Stressfaktoren aus­ge­setzt (Schadstoffe, Verletzungen bei Bauarbeiten, Platz­man­gel, Strahlungswärme von Gebäuden und Asphalt).

Zusätzlich leiden besonders die Straßenbäume darunter, dass sie allein stehen, also keinen unmittelbaren Nachbarn haben, der Schat­ten und Verdunstungskühle spendet wie im Wald. Belas­tend hinzukommt der allgemeine Klimawandel mit langen Hitze- und Dürreperioden. Auch er setzt unseren Bäumen zu. Durch all diese negativen Faktoren sind die Stadtbäume ins­gesamt viel anfälliger für Krank­heiten und Schädlinge als früher. Beunruhigend: Mittlerweile erkranken neben alten Bäumen auch vermehrt Bäume schon in ihren mittleren Lebensjahren.

Bei dem extremen Flächendruck in einer Stadt wie Heidelberg ist für neue große Bäume in der Innenstadt kaum noch Platz – oberirdisch wie unterirdisch.

Ein Hauptgrund dafür ist, dass unterirdische Versiegelung (z. B. durch Tiefgaragen) und die Vielzahl im Boden verlaufender Versor­gungsleitungen den Bäumen den Wurzelraum streitig machen.

Auch ober­irdisch ist z. B. durch Fassaden oder den Verkehrs­raum oft kaum Freiraum zur natürlichen Entfal­tung. Bei neu gepflanzten Straßen­bäumen werden, wie an Beispie­len ge­zeigt, aus Mangel an Raum oft schmale Wuchs­formen be­vor­zugt. Einer kleinen Krone  entspricht ein kleiner Wur­zelballen – beides gewünschte Eigenschaften angesichts des knappen Platzes im innerstädtischen Raum.

DRANGVOLLE ENGE, KAUM PLATZ FÜR EINEN BAUM – und das in einer neu angelegten Straße, der „Grünen Meile“, die als Allee (!) geplant wurde.; Bahnstadt.
Wie das Foto, ein Ausschnitt aus der „Grünen Meile“, beispielhaft zeigt, bleibt im städtischen Raum oft kaum noch Platz zum Pflanzen eines Baums. Die junge Linde steht hier in Konkurrenz zu Ampelmast, Stromverteilerkästen, Leihfahrradstation, Strommast für die Straßenbahn, Verkehrsschildern.
Was müsste in Zukunft anders laufen?

Ziel soll­te sein, noch vorhandene große, alte Bäume, die ge­sund sind, nach Kräften zu schützen und möglichst zu erhal­ten. Jeder Baum, der wegen eines Bauprojekts gefällt werden muss, ist ein riesiger Verlust. Schließlich dauert es Jahr­zehnte, bis ein als Ersatz gepflanzter Jungbaum einen alten Baum mit ausladender Krone vollwertig ersetzt – wenn überhaupt. Denn es ist unklar, ob heute gepflanzte junge Bäume durch den Klima­wandel einmal so alt werden wie Stadtbäume normaler­weise bisher.

Außerdem ist nach einer Baumaßnahme oft aus Platzmangel gar keine Ersatz­pflanzung mehr möglich oder erfolgt in Gestalt viel zierlicherer Bäume bzw. als letzter Ausweg sogar in Form von Bäumchen im Hochbeet.

JEDER GESUNDE BAUM WENIGER IST EIN GROSSER VERLUST Das Fällen von Bäumen im Zuge von Baumaßnahmen sollte möglichst vermieden werden; hier sind Architekten und Bauunternehmer gefragt; Foto: C. Wiethaler.

Architekten und Stadtplaner sind aufgefordert, von Beginn an ihre Planungen so zu gestalten, dass Bestandsbäume möglichst berücksichtigt werden und erhalten bleiben. Außerdem wäre es wünschens­wert, wenn vonseiten der Planer die Bedürfnisse von neu zu pflanzenden Bäumen von vornherein bei ihren Entwürfen stärker mit einbezogen würden.

Oft sind zwar auf den Entwurfs­zeichnungen prächtige Bäume mit ausladenden Kronen zu sehen. Dies sind aber meist nur ansprechende Symbolbilder – die Realität der Bepflanzung später ist häufig eher ernüch­ternd.[19] Böse Absicht wird hier ausdrücklich nicht unter­stellt: Dass Bäume bei den Planungen „unter ferner liefen“ eingeordnet werden, ist wie so oft, das Ergebnis der Verhält­nisse.

Verein­facht ausgedrückt läuft es gewöhnlich in der Art: Ein Neubau wird in der Innenstadt geplant. Dieser braucht Ver­sorgungs­leitungen, Tiefgarage, Kurzzeitparkplätze. Gehsteig und evtl. Radweg sind vorhanden, vielleicht  ist da noch eine Ampel, ein Verkehrs­schild oder ein Zebrastreifen – all dies hat logischer­weise Platzansprüche, die vor denen der geplan­ten Straßen­bäume Vorrang haben. Am Ende muss man dann sehen, wie viel Spielraum für Bepflanzung überhaupt noch bleibt. Letzt­lich spielt natürlich wie überall auch immer das Finanzielle eine Rolle.

Es gilt die Faustregel: Jeder bebaute Quadratmeter bringt Geld, jeder bepflanzte Quadratmeter kostet Geld. Wir als Ge­sellschaft müssen uns fragen, wie viel uns unsere grünen Stadtoasen und ihr Erhalt in Zukunft wert sind.


Zum Nach- und Weiterlesen:

[1] Umfangreiche Informationen zum Thema „Stadtbaum“ liefert das Standardwerk von Andreas Roloff: „Bäume in der Stadt“,  Stuttgart 2013.

[2] Grundlegend zu den vielfältigen Leistungen der Stadtbäume: A. Moser et al.: „Stadtbäume: Wachstum, Funktionen und Leistungen­ – Risiken und Forschungsperspektiven“, angenommen Okt. 2017, Allg. Forst- u. Jagd-Ztg., 188. Jg. 5/6; S. 94–111; DOI-Nr. 10.23765/afjz0002006. Der For­schungs­bericht hebt deutlich hervor, dass weltweit die Erforschung von Stadt­bäu­men noch in den Kinderschuhen steckt – im Gegensatz zur jahrhunderte­alten Forstwissenschaft, deren Methoden und Erkenntnisse auf Stadt­bäume nicht oder nur bedingt übertragbar sind, v. a. durch den komplett anderen Wuchsraum von Stadt- und Waldbäumen. 

[3] Genau genommen nehmen Bäume atmosphärisches CO2 auf, binden den Kohlenstoff  (C) und geben den Sauerstoff wieder ab (O2).

[4] Laut freundlicher Auskunft von Herrn Dr. Ernst Baader, Amtsleiter des Landschafts- und Forstamts Heidelberg, im Gespräch vom 12.05.2020.

[5] Zahlenangabe v. 18.01.2005, Website der Stadt Heidelberg, Baumkataster/Sach­stands­bericht (wurde inzwischen von der Website entfernt).

[6] Angaben v. 07.02.2018, Website der Stadt Heidelberg, Artikel: „Spezialfall Stadtbaum“; (Zugriff: 02.05.2020; Artikel nicht mehr verfügbar).

[7] Die fünf häufigsten Straßenbaumarten in Deutschland sind laut Statista, einem deutschen Online-Portal für Statistik, Linden (24%), Ahorne (15%), Eichen (9%), Platanen (6%) und Rosskastanien (4%); Angaben vom April 2014. Erfasst sind in diesem Ranking aber nur Straßenbäume, nicht Stadtbäume generell, insofern ist die Rangfolge nicht vergleichbar; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/413388/umfrage/die-haeufigsten-strassenbaeume-in-deutschland/ (30.04.2020). Eine Statistik für Stadtbäume in Deutschland scheint noch nicht zu existieren.

[8] Vgl. dazu Beck, Alexander: „Stadtbäume im Klimawandel“, Unterrichts­einheit f. d. Oberstufe. Kassel 2020 (Hg. v. Zentrum für Lehrerbildung der Universität Kassel, Reihe Studium und Forschung, Heft 31). Auf der Website der Unibibliothek Kassel befindet sich ein direkter Link zum PDF dieser Arbeit https://kobra.uni-kassel.de/themes/Mirage2/scripts/mozilla-pdf.js/web/viewer.html?file=/bitstream/handle/123456789/11507/kup_9783737608305.pdf?sequence=1&isAllowed=y#pagemode=thumbs (28.04.2020).

[9] Zitiert nach dem RNZ-Artikel von Sarah Hinney: „Der Baumbestand ist massiv gefährdet“ vom 27./28.03.2021; https://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-heidelberg-der-baumbestand-ist-massiv-gefaehrdet-_arid,648889.html.
Zu den Problemen des Hitzesommers 2018 und den Auswirkungen auf das Heidelberger Stadtgrün vgl. auch Website der Stadt Heidelberg, Artikel: „Die Hitze macht Grünanlagen und Bäumen zu schaffen“, https://www.heidelberg.de/hd/HD/service/07_08_2020+die+hitze+macht+gruenanlagen+und+baeumen+zu+schaffen.html (13.01.2021). Vgl. ebenso Denis Schnur: „Die Hitzesommer haben der Stadt zugesetzt“, RNZ vom 07.07.2020, https://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-heidelberg-die-hitzesommer-haben-der-stadt-zugesetzt-_arid,522886.html (13.01.2021).

[10] Die ältesten Bäume mit etwa 200 Jahren stehen am Bergfriedhof. Heidelbergs Baumbestand zählt zu den ältesten in Baden-Württemberg.

[11] Der botanische Garten allerdings erlitt mehrere Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg und verlor fast den gesamten Pflanzenbestand.

[12] Beispiele und nachfolgende Ausführen basieren zum großen Teil auf Informationen der Website der Stadt Heidelberg, Artikel: „Spezialfall Stadtbaum“ v. 07.02.2018; (Zugriff: 28.04.2020, Artikel nicht mehr verfügbar).

[13] Vgl. Denis Schnur: „Die Hitzesommer haben der Stadt zugesetzt“, RNZ vom 07.07.2020 (s.o.).

[14] Mittlerweile werden auch von Hobbygärtnern verstärkt platzsparende Sorten nachgefragt. Speziell für den Balkon, Terrasse oder den kleinen Garten wurden Neuzüchtungen von Obstbäumen in Säulenform entwickelt. Das sind „Bäume“, die nur aus einem kurzen, vollständig astfreien Stamm bestehen, an dem direkt die Früchte hängen.

[15] Zum Thema „Stadtbäume im Klimawandel“ gibt es inzwischen einige Forschungsliteratur (wenn auch längst noch nicht so viel wie zum Thema „Waldbäume und Klimaveränderungen“) sowie Unterrichtsmaterial. Eine Zusammenstellung wichtiger Arbeiten finden Sie auf der Internetseite https://scholar.google.de/scholar?q=Stadtb%C3%A4ume+im+Klimawandel&hl=de&as_sdt=0&as_vis=1&oi=scholart (28.04.2020).

[16] Das Forschungs- und Innovationsprojekt „Stadtgrün 2021: Neue Bäume braucht das Land“ der bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim wird vorgestellt auf folgender Website: https://www.lwg.bayern.de/landespflege/urbanes_gruen/085113/index.php  (03.05.2020).

[17] Vgl. den Artikel von Brigitte Schulz: „Das Sterben der Stadtbäume“, in: Deutschlandfunk Kultur v. 13.08.2019; https://www.deutschlandfunkkultur.de/hitzerekorde-und-duerre-das-sterben-der-stadtbaeume.976.de.html?dram:article_id=456163 (01.05.2020).
Vgl. auch den Beitrag der BR-Redakteurin Anja Bühling: „Neue Stadtbäume braucht das Land“, v. 21.06.2019; https://www.br.de/themen/wissen/klimawandel-stadtbaeume-zukunft-100.html (02.05.2020). Unter anderem mit der Frage, ob heimische Insekten gebietsfremde Bäume als Nahrungsquelle und Lebensraum annehmen, beschäftigt sich der BR-Filmbeitrag: „Fremde Bäume gegen Hitzestress“ vom 27.06.2020 (11 min.); https://www.br.de/mediathek/video/klimaschutz-fremde-baeume-gegen-hitzestress-av:5ef5f9e704064e0014f5eec4.

[18] In den 1980er-Jahren war die Silberlinde in Verdacht geraten, eine „Hummel­mörderin“ zu sein. Man hatte beobachtet, dass im Juli Massen von toten Hummeln unten ihnen am Boden lagen. Eine gründliche Unter­suchung des Zoophysiologen Bernhard Surholt (Uni Münster) konnte die Silberlinde jedoch rehabilitieren (Vgl. dazu seine Ausführungen in „Natur und Landschaft“, Bd. 69, Heft 3, S. 91 sowie Heft 9, S. 412).  Weder ent­halten ihre Blüten Gift noch einen unverdaulichen Zucker. Im Gegenteil: Der Baum ist eine ausgezeichnete Futterquelle für Bienen und Hummeln. Das Prob­lem liegt woanders: Silberlinden blühen sehr spät, noch nach unseren einheimi­schen Linden. Zu diesem Zeitpunkt im Jahr gibt es kaum noch sonst ein Blüten­angebot: Die Wiesen sind gemäht bzw. vieles ist bereits abgeblüht. Somit stößt die Silberlinde zwar in eine Lücke – aber ihr Blütenangebot ist für die zahlreichen Hummeln und Bienen schlicht zu wenig. So verhungern die Hummeln para­doxer­weise unter eigentlich ausgezeich­ne­ten Futter­bäumen, die allerdings dem Ansturm alleine nicht gewachsen sind. Hummeln sind von dem Mangel an Futter besonders betroffen, u. a. weil sie keine Vorräte auf ihre Sammelflüge mitnehmen und so leichter als Bienen unterwegs in ein Energiedefizit geraten. Vgl. den Artikel von Eberhard Scholz: „Giftlinden rehabilitiert“ v. 01.04.1995/ Spektrum der Wissenschaft 4, S. 33,  www.spektrum.de/magazin/giftlinden-rehabilitiert/822245 (27.05.2020).

[19] Vgl. die Entwurfszeichnung zur Neugestaltung der Bahnhofstraße im Stadtblatt, 21. Jg., Ausgabe Nr. 6 v. 06.02.2013; http://ww2.heidelberg.de/stadtblatt-online/index.php?artikel_id=9957&artikel_image=6792&view=bild&bf=; (18.05.2020).