Forderung: „Rechte der Natur ins Grundgesetz“

Zu diesem Thema sprach im Januar 2023 der Hamburger Jurist Dr. Peter Mohr beim NABU Heidelberg. Mohrs beruflicher Schwerpunkt liegt auf dem Umweltrecht. Zusammen mit anderen Juristen plädiert er dafür, dass die Rechte der Natur in eine Grundgesetzreform münden. Der Vorschlag ergänzt die Würde des Menschen um die Würde der Natur.

👉Der Eigenwert der Natur soll anerkannt und die Natur zum Rechtssubjekt werden. Die Natur soll Grundrechte erhalten – soweit diese ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind.

👉Flüsse, Wälder, Tiere und Pflanzen hätten damit erstmals die gleichen Rechte wie Menschen, Unternehmen, Vereine, Organisationen.

👉Die Idee dahinter: Es zeigt sich immer wieder, dass die einfache Umstellung des Lebensstils nicht ausreicht, um ökologische Nachhaltigkeit in einem Maß zu erzielen, das nötig wäre, um unsere Lebensgrundlagen ausreichend zu schützen. Vor diesem Hintergrund bedarf es stärkerer Instrumente.

Wer steht hinter der Idee?

In Deutschland setzt sich ua. ein Hamburger Netzwerk von ca. 35 engagierten Juristen, dem auch Dr. jur. Peter Mohr angehört, für ein „Ökologisches Grundgesetz“ ein.

Ein weiterer Verfechter eines „Grünen Grundgesetzes“ ist Jens Kersten, Professor für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft an der Universität München. Ihm zufolge wäre ein „Ökologisches Grundgesetz“ nur ein erster Schritt. Er plädiert dafür, darüber hinaus auch die Verfassungsprinzipien um das ökologische Prinzip zu ergänzen – und auch das Staatsorganisationsrecht.

Das Klima wird nicht mit uns verhandeln, sondern wir werden uns da anpassen müssen“, sagt der Staatsrechtler Jens Kersten.

Er fordert Änderung des Grundgesetzes hin zu einem „Grünen Grundgesetz“.

Beitrag von Radioeins vom 3.10.2022 zum Thema „Grünes Grundgesetz“

Gibt es Staaten, in denen bereits Rechte der Natur in der Verfassung verankert sind?

Ja, es gibt schon einige Länder, die Rechte der Natur bereits in die Verfassung aufgenommen haben.

  • Ecuador: Hier wurde 2008 dem Nebelwald „Los Cedros“ ein Existenzrecht zugesprochen. Mehr dazu…
  • Auch in Peru und Kolumbien gibt es solche Beispiele.
  • In Indien sind die Flüsse Ganges und Yamuna als juristische Personen anerkannt, ebenso der Whanganui River in Neuseeland .
  • In Europa ist bisher nur Spanien als Vorreiter hervorgetreten. Hier wurde der Lagune „Mar Menor“ eine eigene Rechtspersönlichkeit zuerkannt (2022).

Warum ist unser bisheriges Umweltrecht nicht ausreichend?

In der jetzigen Form des Grundgesetzes ist die Würde des Menschen das höchste Gut.

Wir haben in Deutschland bereits eine Vielzahl von Umwelt-, Natur- und Tierschutzgesetzen. Doch diese Rechte sind aus der Perspektive des Menschen gemacht und reichen zum Schutz unserer Lebensgrundlagen nicht aus. Denn es ist dem Menschen trotz dieser Gesetze weitgehend gestattet, die Natur für sich zu nutzen.

Beispiel: Eine Straße soll mitten durch einen Wald gebaut werden. Nach unserer jetzigen Gesetzeslage darf der Mensch die Natur nutzen. Bei entsprechender Begründung der Notwendigkeit der Straße würde sie wohl gebaut werden. Der Schutz der Natur ist oft gegenüber – meist wirtschaftlichen Interessen – nicht durchsetzbar. Ist aber dieser Wald eine eigene Rechtspersönlichkeit, können für ihn seine Rechte eingeklagt werden. Die Position des Waldes ist dann im Gesetz gestärkt.

Dinge der Natur als „Rechtspersönlichkeit“ – wie geht das?

Bereits jetzt gilt das Grundgesetz nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für das abstrakte Konzept der „juristischen Personen“. Juristische Personen sind zB. Vereine, Aktiengesellschaften oder GmbHs. Das Konzept der „juristischen Person“ stärkt somit va. die Rechte des Kapitals. Verleiht man nun aber auch der Natur Rechte im Grundgesetz, ist sozusagen die Waffengleichheit wiederhergestellt.

Die Rechte für die Natur muss selbstverständlich ein Rechtsvertreter einklagen, so wie es beispielsweise bei einem Kind, das auch noch nicht für sich selbst eintreten kann, auch der Fall wäre.


Mehr zum Thema:

Jens Kersten: Das ökologische Grundgesetz. München 2022.
In seinem Buch stellt Kersten einen Entwurf für ein ökologisches Grundgesetz vor.

SWR2 Wissen, Beitrag von Luca Sumfleth: „Rechte der Natur – Wenn Flüsse, Pflanzen und Tiere klagen könnten“ (vom 4.10.2022).

Deutscher Bundestag – Zur Diskussion über die Anerkennung einer eigenen Rechtspersönlichkeit für Natur und Umwelt (Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste von Nov. 2021).