Bis 25.02.2022 läuft noch das Beteiligungsverfahren in Sachen Trassenverlauf der geplanten Erdgasleitung. Wer noch Bedenken und Einwände gegen das Projekt vorbringen möchte, kann das über die Website https://rp.baden-wuerttemberg.de/rpk/ tun (über „Kontakt“). Für aktuelle Infos zum Projekt: im Suchfeld der angegebenen Website „Scopingverfahren Erdgasleitung“ eingeben; unter dem 13.01.2022 finden sich die entsprechenden Infos.
In der jüngsten Zeit ist eine Reihe von Pressemeldungen zum umstrittenen Projekt „Süddeutsche Erdgasleitung“ erschienen. Hier noch einmal in Kürze die wichtigsten Fakten im Überblick.
Das Vorhaben
Der Gasnetzbetreiber „Terranets BW“ plant den Bau einer neuen, 250 km langen Erdgasleitung im süddeutschen Raum. Bereits 2001 existierten Pläne zum Bau der Süddeutschen Erdgasleitung (SEL). Ein räumlicher Korridor für den Verlauf der SEL wurde schon 2004 durch das Regierungspräsidium Karlsruhe festgelegt, näher bestimmt wurde der Trassenverlauf 2006. Nach Protesten ruhte das Vorhaben allerdings etliche Jahre, doch nun werden die früheren Pläne wieder aufgegriffen und konkretisiert.
Die neue Erdgasleitung nimmt ihren Ausgang in Lampertheim/Hessen und geht bis hinunter nach Bissingen/Bayern. 62 km davon führen von Mannheim über Heidelberg bis nach Hüffenhardt. In Heidelberg ist der Südwesten betroffen: Hier verläuft die angedachte Trasse durch die Gemarkungen von Wieblingen, Kirchheim, Rohrbach und Emmertsgrund; sie führt hier überall durch Felder und Weinberge.
Hintergrund
Das Unternehmen „Terranets BW“ soll die Infrastruktur für die künftige Versorgung der betreffenden Regionen mit Erdgas sicherstellen. Die Betreiber sehen einen um 30 % steigenden Bedarf an Erdgas bis 2030, v.a. vor dem Hintergrund des Ausstiegs aus Atom- und Kohlestrom. Später kann laut „Terranets BW“ durch die Leitung auch Wasserstoff transportiert werden. Als zusätzliches Goodie werden nach Aussage von „Terranets BW“ parallel zur Gasleitung auch Glasfasern für den Ausbau des High-Speed-Netzes verlegt.
Kritik auf breiter Front gegen das Projekt
In vorderster Front kämpfen v.a. Rohrbacher Winzer und Landwirte gegen die neue Erdgasleitung, weil sie um ihre Weinberge bzw. Ackerflächen fürchten. Aber auch der Heidelberger OB, der Gemeinderat und die Bezirksbeiräte der betroffenen Stadtteile lehnen das Projekt ab, ebenso der NABU und der BUND sowie einige lokale Vereine. Und schon am 26. Juli hatten Aktivisten von „Extinction Rebellion“ eine Protestkundgebung gegen die Erdgasleitung veranstaltet.
Die Projektgegner bezweifeln, dass der geplante Ausbau für einen fossilen Brennstoff angesichts der angestrebten Energiewende überhaupt noch notwendig ist. Und ganz grundsätzlich erscheint es unter dem Aspekt des Klimawandels inakzeptabel, noch weiter in Erdgas als fossilen Energieträger zu investieren.
Auch der in Aussicht gestellte mögliche Transport von Wasserstoff durch die neue Leitung ist nicht unproblematisch. Schließlich handelt es sich bei Wasserstoff nicht um einen primären Energieträger. Vielmehr muss Wasserstoff erst in einem sehr energieaufwendigen Prozess erzeugt werden. Für den Einsatz in Privathaushalten jedenfalls sind Wärmepumpen um ein mehrfaches effizienter als Wasserstoff.
Der Gemeinderat kann das Projekt allerdings nicht stoppen – es fällt in die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe.
Fakten zur Trasse
Ein (grober) Trassenverlauf in einer Breite von 600 m wurde bereits 2006 in einem Planfeststellungsverfahren durch das Regierungspräsidium in Karlsruhe genehmigt. Jedoch ist die Baugenehmigung für diese Trasse bereits 2016 ausgelaufen. Bei der aktuellen Trassensuche greift man wieder auf den Trassenverlauf von 2006 zurück, der damals schon auf massive Ablehnung stieß.
Die geplante Rohrleitung selbst ist 1,2 m dick; sie soll 2 m unter der Erde verlaufen. Hinzukommt ein je 5 m breiter Schutzstreifen rechts und links der Leitung, in dem weder Häuser noch Bäume stehen dürfen. Die sog. Arbeitsbreite für die Baumaschinen etc. wird auf 34 m geschätzt. Alles in allem reißt das Projekt eine riesige Schneise in die Landschaft und bringt eine gewaltige Bewegung von Erdmassen mit sich.
Im November 2021 gab es vonseiten des Netzbetreibers eine Reihe von Informationsveranstaltungen für die betroffenen Kommunen. Dabei wurden auch den Betroffenen Gelegenheit gegeben, ihre Bedenken und Einwände vorzutragen. Die Infoveranstaltung in Heidelberg (am 16.11.2021) war von einer Demonstration gegen den Bau der SEL begleitet. Zum Protest hatten der Stadtteilverein Rohrbach, der Obst-, Garten- und Weinbauverein Heidelberg-Rohrbach, der Verein Punker sowie der Nabu und der BUND aufgerufen.
Die vorgebrachten Einwände sollen laut Terranets BW – nach Möglichkeit – berücksichtigt werden, wenn es an die „grundstücksscharfe“ Ausarbeitung des genauen Trassenverlaufs geht.
Was sind die nächsten Schritte?
2022 „Scoping“-Verfahren (= Ermittlung evtler Knackpunkte des geplanten Projekts, insbesondere von Problemen mit dem Umweltschutz – bis 25.02.2022), Umweltverträglichkeitsprüfung
2023 Start des Planfeststellungsverfahrens
2024 voraussichtlich grundstücksgenaue Trassenfestlegung im Planfeststellungsbeschluss
2025 voraussichtlich Genehmigung
2026/7 voraussichtliche Fertigstellung der SEL
Die wichtigsten Argumente gegen die Erdgasleitung auf einen Blick:
• Das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 wird torpediert.
• Der Globalen Agenda 2030 wird durch die Leitung gleich in mehreren Punkten widersprochen.
• Der Bedarf einer weiteren Erdgasleitung für die Energiewende ist nicht ausreichend nachgewiesen.
• Fruchtbare Ackerböden werden geschädigt.
• Weinberg-Biotope werden unwiederbringlich zerstört.
• Den betroffenen Landwirten und Winzern droht ein enormer wirtschaftlicher Schaden.
• Im Stadtteil Rohrbach würden nahezu alle verbliebenen Ackerflächen von der Leitung durchschnitten.
• Die betroffenen Ackerflächen und Weinberge sind gleichzeitig Naherholungsgebiet für mehrere – z. T. strukturell benachteiligte – Stadtteile.
• Im betroffenen Gebiet liegt auch der Erlebniswanderweg Wein und Kultur, ein Geopark-Pfad des UNESCO Global Geopark Bergstraße-Odenwald.
• Die Felder und Weinberge tragen einen großen Teil zur Identität und auch zur Lebensqualität in den angrenzenden Stadtteilen bei.
• Die Rohrleitung erscheint mit einem Durchmesser von 1,20m überdimensioniert.
(Die Liste der Gegenargumente wurde zusammengetragen von Konstantin Waldherr, Stadtteilverein Heidelberg-Rohrbach; Valentina Schenk, Der punker e.V.; Larissa Winter-Horn, Obst-, Garten- und Weinbauverein; Cornelia Wiethaler, NABU-Heidelberg, AK-Umweltpolitik.)
Zum Nach- und Weiterlesen:
Carsten Blaue: „Welche Folgen hätte die Erdgas-Pipeline?“, in: RNZ vom 15./16.01.2022.
Interview mit Katja Flinsbach, Geschäftsführerin von Terranets BW, geführt von Philipp Neumayr und Sarah Hinney: „Ich sehe im Moment keine Alternative zu unserer Erdgasleitung“, in: RNZ vom 8./9.01.2022.
Steffen Blatt: „Könnte sich der Korridor für die Erdgasleitung noch ändern? Stadt will neues Raumordnungsverfahren“, in: RNZ vom 21.12.2021.
Sarah Hinney: „Draußen Kampfgeist, drinnen Dialog“, in: RNZ vom 20./21.11.2021.
Michaela Roßner: „Protestaktion begleitet Infoveranstaltung zu Gasleitung“, in: Mannheimer Morgen vom 19.11.2021.
„Breiter Widerstand gegen Erdgasleitung“, in: RNZ vom 16.11.2021.
Gemeinsame Pressemeldung des BUND Heidelberg und NABU Heidelberg zur Süddeutschen Erdgasleitung vom 12.11.2021: „BUND und NABU kritisieren Pläne zum Bau einer Süddeutschen Erdgasleitung.“
Thomas Frenzel: „Leimen bangt um seine Rebflächen“, in: RNZ vom 08.11.2021.
Karl Erner (SPD-Gemeinderat): Kommt die „Süddeutsche Erdgasleitung?“, in: Stadtblatt 39/29. Jg., vom 08.12.2021, S. 3.
Jonas Labrenz: „Wie „Terranets BW“ die Erdgasleitung durch Heidelberg plant“, in: RNZ vom 01.07.2021.