Tatort Park: Fleisch fressende Pilze

Zu den Pilzen, die in der Stadt am häufigsten vorkommen, gehört der Schopf-Tintling (Coprinus comatus). Als Verwandter des Champignons ist er kein typischer Waldbewohner. Vielmehr bevorzugt er Wegränder, nährstoffreiche Wiesen, Parkanlagen und Gärten.

junger Schopf-Tintling mit geschlossenem Hut
Ein junger Schopf-Tintling auf einem Rasenstück neben einem Parkplatz, Nähe Kirschnerstraße, Neuenheim. Der schuppige Hut ist noch geschlossen.

Die Fruchtkörper des Pilzes erscheinen vom Frühling an bis in den Spätherbst. Je nachdem, wie reich der Boden an Nährstoffen ist, bildet das unterirdische Pilzgeflecht (Myzel) nur wenige oder gleich massenhaft Fruchtkörper aus.

Jagdszenen unter der Grasnarbe

Die Ernährungsweise des Schopf-Tintlings ist bemerkenswert: Er nährt sich nicht nur von totem organischen Material, sondern er ist ein Jäger und Fleischfresser. Seine Beute sind im Boden lebende Fadenwürmer (Nematoden), die er mithilfe von feinen Schlaufen in seinen Myzelfäden fängt. Gerät ein solcher Wurm in eine dieser winzigen Schlaufen, pumpt der Pilz augenblicklich Wasser in den Myzelfaden. Dadurch schwillt der Myzelfaden an, wodurch der Fadenwurm von der Schlinge quasi stranguliert wird. Verdauungsenzyme besorgen den Rest.

Schopf-Tintling mit tropfender Tinte; die Autolyse hat begonnen
Derselbe Pilz, 24 Stunden später. Die Selbstauflösung hat bereits begonnen. Das schwarze Sporenwasser tropft beständig vom Hutrand herab. Zufällig hat sich die Tinte in einem Blatt (rechts im Vordergrund) als dunkle Lache gesammelt.

Das Geheimnis der Tinte

Namengebend für alle Tintlinge ist die Bildung von „Tinte“ – schwarzer Sporenflüssigkeit. Sie entsteht, wenn die Sporen reif sind, durch Selbstauflösung des Fruchtkörpers (Autolyse).

Derselbe Pilz nach 48 Stunden. Der Hut hat sich weitgehend in schwarzes Sporenwasser verwandelt. Noch immer tropft es unablässig zu Boden.

Die schwarze Sporenflüssigkeit vermengte man früher mit Gummi arabicum und verwendete sie als Tinte. Die ältesten Nachweise für diese Tinte reichen 300 Jahre zurück.

Derselbe Pilz nach 3 Tagen. Der Sporenvorrat ist nahezu aufgebraucht. In kurzer Zeit werden die Reste des Pilzes verschwunden sein.
Junger und mittelalter Schopf-Tintling. Oft treten die Pilze in größeren Gruppen auf.

Der Schopf-Tintling gilt als ausgezeichneter, sehr schmackhafter Speisepilz. Allerdings nur wenn er ganz jung verzehrt wird. Für den Genuss muss der Hut rein weiß sein. Sobald sich rosa oder dunkle Verfärbungen zeigen, ist das ein Zeichen dafür, dass die Sporenreifung bereits eingesetzt hat.

Verwechslungsgefahr besteht mit dem Falten-Tintling und seinen Verwandten. Sein Hut ist nicht schuppig, sondern längs gerieft. Diese Pilze sind giftig, wenn in zeitlicher Nähe Alkohol konsumiert wird.

Der Schopf-Tintling ist der Pilz des Jahres 2024.

Drei alte Schopftintlinge.

Zum Nach- und Weiterlesen:

M. Blaschke: Ein Pilz mit mancher Überraschung – der Schopftintling. waldwissen.net. Online-Version 9.10.2024.

Website der Deutschen Gesellschaft für Mykologie: Pilz des Jahres 2024: Schopf-Tintling