Jeder kennt das: Ein Spaziergang im Grünen oder eine Wanderung durch den Wald wirken entspannend. Sorgen und quälende Gedanken treten rasch in den Hintergrund, das seelische Wohlbefinden steigt.
Nun haben Forschende herausgefunden: Denselben positiven Effekt auf die Psyche haben auch Grünflächen in der Stadt. Grünflächen sind also wichtig für die Gesundheit und das seelische Gleichgewicht von Stadtbewohnern.
Die Psyche von Stadtmenschen ist gefährdet
Stadtbewohner haben ein 30 Prozent erhöhtes Risiko, an Depression zu erkranken, und das Schizophrenie-Risiko ist bei ihnen dreimal so groß wie auf dem Land. Nach der Ansicht des Mannheimer Psychiaters Prof. Andreas Meyer-Lindenberg können Städter dem leicht vorbeugen, indem sie sich häufig in der Natur aufhalten. Dafür müssen Stadtmenschen nicht einmal unbedingt hinaus in Wald und Flur, sofern sie städtische Grünanlagen in der Nähe haben.
Grün wirkt beruhigend und ausgleichend
Schon 20 Minuten im Park genügen, um aus dem Grübeln heraus und in den Entspannungsmodus hineinzukommen. Erstaunlicherweise hilft laut der Forschungen von Prof. Meyer-Lindenberg schon der häufige Anblick von Grünflächen dabei, seelisch im Gleichgewicht zu bleiben. Besonders wichtig ist der regelmäßige Kontakt zur Natur für die seelische Stabilität von Stadtkindern.
Auch Straßenbäume wirken positiv auf die Stimmung
Nicht nur Grünflächen, sondern bereits einige Straßenbäume in der Nähe können sehr viel Positives für das seelische Wohlbefinden bewirken. Wie eine 2021 erschienene wissenschaftliche Studie in Leipzig zeigte, können Straßenbäume im direkten Umfeld das Risiko für Depressionen senken.
An der Studie nahmen 10.000 Leipziger Bürger und Bürgerinnen teil. Anhand ihrer Daten wurde die Häufigkeit der Verschreibung von Antidepressiva in Relation gesetzt zu der Anzahl und Nähe von Straßenbäumen. Andere Faktoren, die Depressionen auslösen können, wie z.B. Alter oder Gewicht, wurden aus den Ergebnissen herausgerechnet.
Es ergab sich ein deutlicher Zusammenhang: Mehr Bäume in der nahen Wohnumgebung bedeutete meist eine niedrigere Anzahl verschriebener Antidepressiva.
Wie funktioniert die beruhigende Wirkung von Grün?
Wie kommt es, dass Menschen es als angenehm und beruhigend empfinden, sich im Grünen aufzuhalten? Die Psychologin Leonie Ascone Michelis nennt in ihrer Studie folgende Gründe:
- Im Naturraum hat man das Gefühl, mal ganz aus allem raus zu sein.
- Man muss nicht konzentriert und aufmerksam sein, wie zB. im Straßenverkehr oder im Büro.
- Beim Blick auf die (weite) Landschaft hat man das Gefühl des Eingebundenseins in einen größeren Zusammenhang.
- Der Blick ins Grüne tut gut – die weichen, sich wiederholenden Formen werden als angenehm empfunden im Gegensatz zu den harten Kanten von Gebäuden.
- Der Mensch hat aufgrund seines biologischen Erbes eine angeborene Präferenz für natürliche Landschaften.
- Farbe Grün wirkt beruhigend, entspannend. Das menschliche Auge kann im Vergleich zu anderen Farben Grüntöne mit Abstand am besten und differenziertesten wahrnehmen.
Konsequenzen für die Stadtplanung
Wichtig ist die soziale Komponente: Städte sollen so angelegt sein, dass alle Bürgerinnen und Bürgern fußläufig den Zugang zu Grünräumen haben; kein Stadtteil sollte benachteiligt sein.
Da sich auch schon der Anblick von Straßenbäumen positiv auf das seelische Befinden auswirkt, sollten Bäume großzügig über das Stadtgebiet verteilt gepflanzt werden. Hier hätte Heidelberg noch viele Chancen auf mehr Grün, man denke nur z.B. an die seit Jahren brachliegenden Baumgruben in der verkehrsreichen Bergheimer Straße. Und seit Jahren ein Ärgernis: Der geringe innerstädtische Grünflächenanteil Heidelbergs – pro Kopf nur 7 m²! Zum Vergleich: Stuttgart hat mit 13,6 m² fast doppelt so viel.
Zum Nach- und Weiterlesen:
A. Meyer-Lindenberg ist Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim. Er sprach am 7.12.2023 im Heidelberger DAI mit einem Journalisten der „FAZ“ über das Thema „Wie Grünflächen für Wohlbefinden sorgen“. S. auch das Interview von M. Haas mit Meyer-Lindenberg zum Thema im SZ-Magazin 14.9.2022 („Wer eher ängstlich ist, profitiert besonders von der Natur“). Die interdisziplinäre Studie zum positiven Einfluss von Grünflächen, an der Meyer-Lindenberg beteiligt war, wurde 2019 in „Nature Neuroscience“ veröffentlicht (H. Tost, M. Reichert, U. Braun, I. Reinhard, R. Peters, S. Lautenbach, A. Hoell, E. Schwarz, U. Ebner-Priemer, A. Zipf, and A. Meyer-Lindenberg: Neural correlates of individual differences in affective benefits of real-life urban green space exposure. Nature Neuroscience, published online 29 July 2019, https://doi.org/10.1038/s41593-019-0451-y
Leipziger Studie zum Thema „Straßenbäume als Mittel gegen Depressionen“: An der interdisziplinären Studie waren Forscherinnen und Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig und der Friedrich-Schiller-Universität Jena beteiligt. Die Ergebnisse der Studie waren zusammengefasst in einer Pressemitteilung vom 25.01.2021 „Straßenbäume als Mittel gegen Depressionen?“(PM inzwischen nicht mehr verfügbar); bibliografische Angaben zur Originalpublikation: Melissa R. Marselle, Diana Bowler, Jan Watzema, David Eichenberg, Toralf Kirsten, Aletta Bonn (2020): „Urban street tree biodiversity and antidepressant prescriptions, Scientific Reports, DOI: 10.1038/s41598-020-79924-5.
Leonie Ascone Michelis: Stadtlandschaften und mentale Gesundheit. Vortrag im Rahmen der Stadtnatur-Tagung 2023 des NABU www.nabu-hamburg.de/Stadtnaturtagung