Pflanze ohne Blattgrün: die Hain-Sommerwurz

Zugegeben, ein Hingucker ist die Hain-Sommerwurz nicht gerade. Und doch lohnt sich definitiv ein näherer Blick.  

Auffällig ist zunächst die extreme Unauffälligkeit der Pflanze. Mit ihrer Farbpalette zwischen beige und braun erinnert sie eher an Pilze als an eine Blume. Beheimatet ist die Hain-Sommerwurz in den Bayerischen Alpen und in Tirol. Bei uns in Heidelberg kann man die Pflanze im Spätfrühling/Sommer (in zahlreichen Exemplaren) im Botanischen Garten bewundern.

Hain-Sommerwurz Orobanche lucorum
Ein schlichtes Erscheinungsbild kennzeichnet die Hain-Sommerwurz (Orobanche lucorum). Sie blüht zur Zeit im Botanischen Garten (z.B. auf der großen Baumwiese bei den Platanen). Ihre Größe reicht von 10-25 cm.

Verbreitung

Weltweit gibt es eine große Fülle von Sommerwurz-Arten. Man findet sie vorwiegend in den wärmeren Gebieten der Nordhalbkugel. In Deutschland kommen ca. 26 verschiedene Arten vor, die meisten davon sind selten. Übrigens ist „Wurz“ eine alte Bezeichnung für „Pflanze“, die schon im Alt- und Mittelhochdeutschen gebräuchlich war.

Schmarotzen als Überlebensprinzip

Für ihr Wachstum sind die Sommerwurz-Arten nicht auf Sonnenlicht angewiesen. Anders als die meisten anderen Pflanzen besitzen die Sommerwurzen kein Blattgrün und betreiben folglich auch keine Fotosynthese. Aber wovon ernähren sie sich? Was ist ihr Trick?

Ganz einfach: Die Sommerwurzen holen sich von einer Wirtspflanze, was sie brauchen, ohne Gegenleistung zu erbringen. Sie sind damit sog. „Vollschmarotzer“. Viele Sommerwurz-Arten sind dabei auf eine Pflanzenart als Wirt spezialisiert. Bei der Hain-Sommerwurz ist das gewöhnlich eine Berberitzenart.

Hain-Sommerwurz Orobanche lucorum
Größeres Vorkommen der Hain-Sommerwurz auf dem Campus im Neuenheimer Feld, Nähe INF 364.

Wie funktioniert das Anzapfen der Wirtspflanze?

Die Samen der Sommerwurzen sind extrem winzig. Mit etwa 0,001 mg Gewicht sind sie staubfein und werden leicht vom Wind verweht. Mit dem Regen werden die Samen in den Boden hineingespült und gelangen so im Idealfall bis zu den Wurzeln einer Wirtspflanze. Dann kommt es, ausgelöst durch einen chemischen Stoff dieser Wirtswurzel, zur Keimung der Samen. Die Samen produzieren einen feinen Zellfaden. Dieser dringt in die Wurzel des Wirts ein und zapft die Leitbahnen an. Ab sofort werden dem Keimling Wasser und Nährstoffe frei Haus geliefert.

Die Nährstoffe werden zunächst in einer schuppigen Knolle gespeichert. Aus ihr wächst nach einiger Zeit (Monate bis Jahre) der Blütenstand.

Manche Sommerwurz-Arten parasitieren Kulturpflanzen (Kartoffel, Tomate, Aubergine, Tabak, Klee, Sonnenblumen u.a.) und können so für die Landwirtschaft zum Ärgernis werden. Die Gattungs-Bezeichnung Orobanche (= „Kichererbsen-Würger“) zielt auf die schädigende Wirkung auf Kichererbsen (griech. orobos) ab.

Hain-Sommerwurz Orobanche lucorum mit Speicherknolle und Wirtswurzel
Hain-Sommerwurz mit Speicherknolle (im Kreis) und Wirtswurzel (Pfeil).

Wo kann man die Hain-Sommerwurz finden?

Zur Zeit blüht die Sommerwurz im Botanischen Garten, u.a. auf der großen Baumwiese unter den Platanen (Blütezeit: Mai-Juni). Einige Exemplare haben bereits den Sprung aus dem Botanischen Garten heraus geschafft: In der Nähe des Gebäudes INF 364, gegenüber dem Seiteneingang des Botanischen Gartens, findet sich eine größere Anzahl (s. oben Foto).

Hain-Sommerwurz Orobanche lucorum


Zum Nach- und Weiterlesen:

Wikipedia: „Sommerwurzen“ (Stand: 5.7.2022; Zugriff am 27.7.2022)

Holger Uhlich: Orobanchen, verkannte Schönheiten (PDF, mit Extraklick öffnen).

Ralf Omlor: Hain-Sommerwurz (Orobanche lucorum); Artikel über das Vorkommen der Hain-Sommerwurz im Botanischen Garten der Universität Mainz (2008).

In einer früheren Version des Artikels war versehentlich von der Vogel-Nestwurz die Rede. Nach einem Hinweis von Dr. J. Schwarz, BUND Steinachtal, habe ich den Beitrag korrigiert. Danke nochmal an dieser Stelle!