Im Laubwald trifft man häufig auf Bäume, die einen dichten „Pelz“ aus Efeu tragen. Aber auch im städtischen Umfeld gibt es viele Bäume, die mit der immergrünen Kletterpflanze überzogen sind. Jetzt, im Winter, fällt der Efeubewuchs besonders ins Auge.
… nicht würgen
Anders als häufig angenommen „würgt“ der Efeu seinen auserwählten Baum nicht, er nützt ihn nur als Aufstiegshilfe. Das Bestreben des Efeus ist es, Höhe zu gewinnen. Einmal, um dem Lichtmangel am Boden zu entgehen, aber auch um seine Blüten und Früchte den tierischen Interessenten möglichst gut sichtbar präsentieren zu können.
Der Gewöhnliche Efeu (Hedera helix) beginnt seine Karriere zunächst am Boden und kann auch lange Zeit als reiner Bodendecker existieren.
Sobald die Efeutriebe jedoch auf eine Mauer, einen Felsen oder Baum treffen, beginnen sie, daran hochzuklettern.
Halt geben dem Efeu beim Klettern zusätzliche Haftwurzeln. Diese sondern obendrein noch eine klebrige Substanz ab, sodass sich die Efeulianen nahezu unlösbar mit der Wand oder der Rinde verbinden.
Pflanze mit zwei Gesichtern
Gewöhnlich verbindet man den Efeu mit der charakteristischen dreieckigen Blattform (3–5- lappig). Diese Blätter wurden v.a. in der Antike und im Jugendstil gerne als Ornamente in der Kunst verwendet.
Jedoch bildet der Efeu, sobald er anfängt zu blühen bzw. Früchte hervorzubringen, mit einem Mal ganz andere Blätter aus, nämlich rautenförmige.
Das Phänomen nennt sich Heterophyllie (= verschiedene Blattformen an derselben Pflanze). Es begegnet z.B. auch bei der Stechpalme.
Schadet der Efeubewuchs den Bäumen?
Großen, kräftigen Laubbäumen schadet der dichte Efeubewuchs in der Regel nicht, selbst wenn er bis in den Kronenbereich hineinreicht. Denn normalerweise klettern die Efeutriebe nur am Stamm und an den starken Ästen entlang – die Fotosynthese des Baums wird nicht beeinträchtigt, weil der Efeu die feinen Äste und Zweige meidet.
Eine Ausnahme zeigt das Foto mit der Kanadischen Hemlocktanne. Die ursprüngliche Form des Nadelbaums ist kaum noch zu erkennen, der Efeu hat die Hemlocktanne nahezu komplett überwuchert.
Im Falles des abgebildeten Nadelbaums würde es dem Efeu nichts nützen, wie bei den Laubbäumen am Stamm entlang zu klettern, denn sonst wären seine Lianen vom Licht komplett abgeschnitten. Also bleibt dem Efeu hier nur die Strategie, den Nadelbaum von außen einzuwachsen; die Hemlocktanne hat keine Chance, das auf Dauer zu überleben.
Efeubewuchs als Schutz vor Hitze und Kälte
Gerade für Stadtbäume ist der Bewuchs ihres kahlen (Hoch-)Stamms sogar ausgesprochen von Vorteil. Denn: Der dichte Efeumantel spendet dem Stamm Schatten und verhindert dadurch, dass sich die Rinde z.B. durch zu starke Sonneneinstrahlung zu sehr aufheizt und aufplatzt.
Ein gutes Beispiel, wo man sich bewusst den natürlichen Schutzmantel des Efeus zunutze gemacht hat, sind die Platanen am Karlsplatz. Auf diesem steinernen Areal kommt es im Sommer zu sehr hohen Temperaturen; hier wirkt der Efeubewuchs kühlend und schützend auf die Rinde. Im Winter bewahrt der dichte Überzug aus Efeublättern den Stamm auch vor zu extremer Kälte.
Wertvoller zusätzlicher Lebensraum
Üppige Efeulianen bieten zusätzlichen Lebensraum für kleine Säugetiere und viele Vögel. Sie finden dort Unterschlupf und Nahrung. Die unangenehm faulig riechenden, grüngelben Blütendolden, die der Efeu erst im Herbst ausbildet, ziehen neben Wildbienen, Wespen und Schwebfliegen auch Aasfliegen und andere Insekten in großer Zahl an. Kein Wunder, denn der Efeu bietet sehr große Mengen von Honig an – das zu einer Jahreszeit, wo das Angebot schon sehr knapp geworden ist.
Mit dem Reifen seiner Früchte lässt sich der Efeu Zeit. Erst gegen Winterende färben sich seine Früchte als Zeichen der Reife schwarz – und sind gerade dann eine unschätzbare Nahrungsquelle für viele Vögel.
Efeuhecke als Alternative zum Kirschlorbeer
Wer eine einheimische immergrüne und langlebige Alternative zu den verbreiteten Kirschlorbeerhecken sucht, kann zum Efeu greifen. Er ist für die Tierwelt von weit größerem Nutzen.
Efeubewuchs und Verkehrssicherungspflicht
Efeupflanzen bereichern also im Normalfall ihr Umfeld, man sollte sie daher nicht entfernen. Im städtischen Raum allerdings kann es einen handfesten Grund geben, ggf. (einzelne) Efeulianen zu entfernen: dann nämlich, wenn sie den regelmäßigen Gesundheitscheck des Baumes erschweren oder gar unmöglich machen.
Bei Stadtbäumen muss in sehr regelmäßigen Abständen überprüft werden, wie vital ein Baum ist, ob Pilzbefall vorliegt und v.a. ob die Standfestigkeit noch gewährleistet ist, damit niemand zu Schaden kommt (Verkehrssicherungspflicht). Dabei muss in bestimmten Fällen z.B. der Stammfuß eines Baumes sehr genau begutachtet werden. Ist hierbei der Efeu im Weg, muss er weichen.
Sonst noch was?
- Der Efeu kann sehr alt werden, bis ca. 500 Jahre. Im Laufe der Zeit bildet er einen Stamm aus.
- In der Medizin verwendet man Efeuextrakt als Schleimlöser (als Tropfen oder Saft in der Apotheke erhältlich). Verwenden Sie auf keinen Fall Efeublätter, sie sind giftig!
- Überhaupt sind alle Teile des Efeus für den Menschen giftig. Beim Schneiden von Efeu empfiehlt es sich, Handschuhe zu tragen.
- In antiken Handschriften und alten Drucken wurde ein stilisiertes Efeublatt als Zeichen für einen Absatz oder Textende verwendet (das sog. „Aldusblatt“, nach dem berühmten venezianischen Drucker der Renaissance Aldus Manutius). Heute beschließt es meinen Blogeintrag.
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Zum Nach- und Weiterlesen:
Dietrich Böhlmann: „Gehölzbiologie“. ²2013, S. 58, 119, 188, 264, 278.
Rainer Hilsberg, Andreas Detter: „Zum Umgang mit Efeu in der Baumkontrolle aus rechtlicher und fachlicher Sicht“, in: Jahrbuch der Baumpflege 2020, S. 150ff.
Wolfgang Beinert: „Aldusblatt“, in: Typolexikon 2001 – Lexikon der Typografie, https://www.typolexikon.de/aldusblatt/.