Jetzt, am Sommeranfang, haben selbst die Spätzünder unter den Bäumen ausgetrieben. Doch längst nicht alle Stadtbäume präsentieren sich nun in Bestform. Immer wieder fallen schüttere oder weitgehend kahle Kronen ins Auge.
Für unsere Wälder ist das Phänomen, das dort inzwischen massenhaft zu beobachten ist, längst beschrieben: Der Fachmann spricht hier von „Kronenverlichtung“. Aber auch unsere Stadtbäume sind davon zunehmend betroffen.
Der Begriff ist weitgehend selbsterklärend: Die Kronen verlieren immer mehr Blätter (bzw. Nadeln bei Nadelbäumen) und verkahlen.
Wie kommt es dazu? Ein Baum, dem es schlecht geht und der Mühe hat, alle Teile zu versorgen, gibt einen Teil seiner Zweige auf, damit der Rest Chancen hat zu überleben. Diese „Taktik“ erinnert an die Überlebensstrategie der Eidechsen: Besser dem Angreifer ein Körperteil geopfert als das Leben.
Schüttere Kronen zeigen an, dass der Baum unter Stress steht. Die Kronenverlichtung kann meist nicht spezifisch einem bestimmten Schadfaktor zugeordnet werden. Sie ist das Ergebnis des Zusammenwirkens mehrerer ungünstiger Faktoren am Standort – und davon gibt es im städtischen Umfeld reichlich: Verdichteter Boden, wenig Wurzelraum (damit wenig Möglichkeit, im Boden an Wasser zu kommen), Alleinstand (kein Schatten), zusätzlich zur Sonneneinstrahlung noch Rückstrahlung von Hitze durch Asphalt und aufgeheizte Fassaden, auch nachts, u.v.m.
Nun mussten die Stadtbäume 2018–2020 zusätzlich noch den extremen Trockenstress der drei aufeinanderfolgenden Hitzesommer durchstehen; dieser gewaltige Stressfaktor kam zu allen sonstigen Belastungen noch on top. Dass der Trockenstress an der überall in der Stadt zu beobachtenden Kronenverlichtung einen ganz wesentlichen Anteil hat, liegt auf der Hand.
Die Situation ist um so dramatischer, als sich die Auswirkungen langer Trockenperioden und von Hitzestress bei vielen Bäumen erst mit Verzögerung, manchmal erst im Folgejahr/in den Folgejahren zeigen. Obwohl bereits hunderte schwer geschädigte oder tote Bäume im innerstädtischen Bereich in den zurückliegenden Jahren gefällt wurden, entdeckt man weiterhin viele kranke Bäume.
Zu den Bildergalerien: Beispiele für Bäume mit Kronenverlichtung im Stadtgebiet; geschädigte Jungbäume; geschädigte Bäume rund um die Kopfklinik.
Zum Weiterlesen:
Wer ganz genau wissen will, wie sich die stufenweise ablaufenden Trockenstress-Reaktionen vollziehen, dem sei das Buch des (Stadt-)Baumexperten Andreas Roloff empfohlen, „Bäume in der Stadt“, Stuttgart 2013, S. 187ff. Noch ausführlicher und brandneu, ebenfalls von Andreas Roloff: „Trockenstress bei Bäumen. Ursachen, Anpassung und Strategien“, 2021.